Die Saalfeld-Falle
Retrospektives Interview mit einem Querdenken-Aussteiger über den berüchtigten Besuch von Querdenken beim „König von Deutschland“
Der Begriff „Querdenker“ stand einstmals für freies, unkonventionelles Denken. In den letzen zwei Jahren ist er zu einem politischen Kampfbegriff mutiert, der sämtlichen Kritikern der Corona-Maßnahmen übergestülpt wurde, um diese mundtot zu machen. Maßgeblich zu dieser Entwicklung beigetragen hat die Stuttgarter Organisation „Querdenken 711“ um deren Initiator Michael Ballweg. Der Organisation werden unter anderem intransparente Spendenflüsse auf Ballwegs Privatkonto, sowie Verbindungen zu Rechtsextremen wie Nikolai Nerling und der Reichsbürger-Bewegung vorgeworfen. Wie gelang es einer einzelnen Organisation, einen ehemals positiv konnotierten Begriff so zu vereinnahmen und dafür zu sorgen, dass alle Menschen in Deutschland, die Regierungsmaßnahmen kritisieren, darunter subsumiert und einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz zugeführt werden konnten? Das Treffen in Saalfeld stellt für viele ehemalige Aktivisten das Ende von Querdenken dar. Um zu verstehen, wie die Opposition in Deutschland an die Wand gefahren wurde, muss die Causa Saalfeld aufgearbeitet werden.
Über viele eigenartig erscheinende Vorgänge rund um die Organisation Querdenken lässt sich streiten. Ob es angemessen ist, dass alle Spendenflüsse auf dem Privatkonto eines Herrn Ballweg landen, ob es redlich ist, dass sich Organisatoren eine goldene Nase verdient haben. Ob es einer Bewegung hilft, wenn einer ihrer Köpfe, Ralf Ludwig, ein ehemaliger Anwalt der Leipziger Hausbesetzer-Szene, bei einer Demo dazu aufruft “bei Festnahmen laut den eigenen Namen, den Vornamen und die Telefonnummer zu brüllen”. Damit der Verfassungsschutz und anwesende Gegner der Bewegung solche hochsensiblen Daten gleich mitschreiben können?
Oder man erinnere sich an die große Demo am 29. August 2020, bei der sich Querdenken-Vertreter wie Erzieher gerierten und Demo-Teilnehmer zum Einhalten der Mindestabstände aufriefen.
Ebenso unvergessen Markus Haintz, wie er in vorauseilendem Gehorsam als “verlängerter Arm der Polizei” Corona-Abstandsregeln durchsetzte - unter der Androhung, ein beieinanderstehendes Paar der Demo zu verweisen.
Über Punkte wie diese wurde viel gestritten, und ließen beim einen mehr, beim anderen weniger Zweifel an Querdenken aufkommen. Worüber heute kaum noch ein Zweifel herrscht, ist die desaströse Bedeutung des Geheimtreffens mit dem selbsternannten „König von Deutschland“ Peter Fitzek am 15. November 2020 in Saalfeld. Fitzek wird seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet. Er saß mehrfach wegen der Veruntreuung hoher Geldsummen im Gefängnis und fungiert als eine Art “Drehkreuz” für die Reichsbürger-Szene in Deutschland - auch wenn er sich selbst nicht als Reichsbürger versteht. Fitzek dient als “Honigtopf”: Wer bei ihm ein- und ausgeht, landet selbst im Visier des Verfassungsschutzes. Die Querdenken-Aussteiger Martin Lejeune und Stephan Bergmann haben zum Saalfeld-Treffen von Querdenken bereits Stellungnahmen abgegeben. Aus ihrer Sicht handelte es sich dabei eindeutig um eine Falle, die der Querdenken-Initiator Michael Ballweg an einem entscheidenden Moment für die Bewegung gestellt hatte.
Die Personalie Ballweg erschien vielen Menschen im Corona-Widerstand bereits “abgehakt” - da gab dieser kürzlich bei Apolut dem Publizisten Anselm Lenz ein 90-minütiges Interview.
Es war ein betont herzerwärmendes Gespräch, in dem die lauteren Absichten Ballwegs erörtert wurden. Kein einziges Wort zu Saalfeld, Verbindungen zur rechtsextremen Szene oder den intransparenten Spendenstrukturen. Offensichtlich wurde seitens der politischen Verbündeten Ballweg, Lenz und Soufi-Siavash (ehemals Ken Jebsen) der Versuch unternommen, Michael Ballweg von allen Sünden rein zu waschen und sein Image als „Galionsfigur der ersten Stunde“ erneut in der kollektiven Erinnerung des Widerstands zu verankern. Ganz kurz wurde seine Präsidentschaft beim Freimaurer-Club “Roundtable 23” angeschnitten - wobei Ballweg verschmitzt grinste - dann war es aber auch schon wieder vorbei mit den “kritischen” Punkten. Seine Tätigkeit beim Freimaurer-Bündnis Roundtable 23 hätte “rein karitativen Zwecken” gedient.
Ballweg - ein aufopfernder Heiliger, der all seine Unternehmungen und sein Vermögen im edlen Kampf gegen das Corona-Regime aufs Spiel gesetzt hat?
Das vorliegende Interview entstand bereits vor einem Jahr und lag die gesamte Zeit als Audio-Datei auf meinem Rechner. Mein Interviewpartner, der Musiker André Krengel, der als Zeuge beim Saalfeld-Treffen war, hatte sich vor einem Jahr von mir interviewen lassen, damals jedoch noch nicht den Mut gehabt, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, um kein „Nestbeschmutzer“ sein. Nun hat er eine Veröffentlichung des Interviews autorisiert.
Nach zwei Jahren Corona-Regime tut es Not, Bilanz zu ziehen. Mit der Diskreditierung des Labels Querdenken und dessen gezielter Assoziierung mit der Reichsbürger-Bewegung konnten Millionen Oppositionelle in Deutschland, die formal Querdenken zugeordnet wurden, durch den Verfassungsschutz beobachtet, und eine ganze Bewegung an die Wand gefahren werden. Ein entscheidender Aspekt, um die Saalfeld-Aktion als “Verfassungsschutz-Falle” einzuordnen, war, dass Michael Ballweg fast sämtliche Teilnehmer über das geplante Zusammentreffen mit Peter Fitzek, dem “König von Deutschland”, zuvor in Unkenntnis ließ. Diese Täuschungsabsicht hat ihn verraten - so André Krengel, Profi-Musiker, Querdenken-Aussteiger und mein Gesprächspartner im nun folgenden Interview.

Erst einmal herzlichen Dank, dass du mit mir über Saalfeld sprichst! Meine erste Frage wäre: Wie kamst du überhaupt zu Querdenken?
Ich stand den Corona-Maßnahmen von Anfang an kritisch gegenüber, hatte ich doch den Skandal um die Schweinegrippe noch auf dem Schirm. Es hat mich aufhorchen lassen, dass plötzlich die renommierten Experten von damals, die den Skandal enttarnt hatten, jetzt quasi über Nacht als Idioten und Verschwörer in der Presse gehandelt wurden. Dann folgte eine lange, wirkliche gründliche Recherche, und infolgedessen wollte ich mich mit meinen Fähigkeiten konstruktiv im Widerstand einbringen. So habe ich zeitgleich auch auf anderen Demos und Mahnwachen gespielt und schon im April und Mai 2020 selbst einen Künstler-Spaziergang in Düsseldorf ins Leben gerufen. Auf Querdenken wurde ich erstmals durch eine Rede von Professor Stefan Homburg aufmerksam, die mir inhaltlich aus der Seele sprach. Meine Neugier war geweckt und ich fasste den Entschluss, selbst dorthin zu gehen, obwohl es schon erste Stimmen gab, die “Hygienedemos” diffamierten und in eine rechte Ecke stellten. Diesen Mechanismus kannte ich jedoch schon zur Genüge: Ein alter Jugendfreund von mir, Typus Anarchist, Punk, Pazifist und Antikapitalist wie aus dem Bilderbuch, leitete damals die Friedenswerkstatt in Köln. Als zur Ukraine-Krise die Montagsmahnwachen begannen, kam er durch Jutta Dittfurth in die Presse und wurde von ihr als Neurechter, Querfrontler und Nazi diffamiert, obwohl er politisch immer links angesiedelt war, und das absolute Gegenteil dieser Beschreibung. Er verstand danach die Welt nicht mehr.
Ich ließ mich deshalb nicht abschrecken und begann, angefragt durch Nana Domena, der mich am Abend des 01. August 2020 nach der großen Demo in Berlin bei einer gemeinsamen Freundin spielen hörte, auf Querdenken-Demos aufzutreten. Dafür bin ich ein paar Monate lang durchs Land getourt, es war eine Art Selbstläufer, weil mich die jeweiligen Orga-Teams aus Live-Streams kannten. Ich habe keine Gage bekommen, aber im Rahmen der Demos erfolgreich meine CDs verkauft und konnte mich so etwas über Wasser halten. Es hatte den Hauch von Abenteuer: Man wusste nie, was einen erwartet. Nicht selten wurde eine Demo schon aufgelöst, bevor es überhaupt zu einem Bühnenprogramm kam. Aber den Leuten tat die Musik offenbar gut. Ich hatte das Gefühl, das Richtige zu tun, wenn ich Kultur und Musik so lange wie möglich hochhalte.
Bei diesen Veranstaltungen habe ich viele Leute aus der Querdenken-Orga, sowie Bühnensprecher und Künstler persönlich kennengelernt. Mit Michael Ballweg habe ich nie gesprochen, dafür aber mit vielen anderen, wie Nana Domena, Samuel Eckert, Alexander Ehrlich, Karl Hilz oder Bodo Schiffmann. Für mich ist es rückblickend schwer zu sagen, wer da welche Rolle gespielt hat. Zunächst erschienen alle sehr sympathisch, höchstens mal etwas aufgedreht und emotionalisiert, wofür man in solch außergewöhnlichen Situationen vielleicht Verständnis haben kann. Aber wem man wirklich vertrauen kann, in Bezug auf dessen wahrhaftige Motive für den Protest und die Bewegung, kann ich rückblickend schwer einschätzen. Es gibt dahingehend für mich viele offene Fragen. Wem ich auf jeden Fall nicht mehr vertrauen kann, ist Michael Ballweg - nicht nur, aber vor allem wegen dieser Saalfeld-Geschichte.
Michael Ballweg und ein Auftritt des Medienunternehmers Thomas Hornauer auf einer Querdenken-Demo. Für diesen etwas bizarren Auftritt kassierte Ballweg eine “Auftrittsgebühr” von 5.000€ von Hornauer.
Was ist da genau passiert in Saalfeld?
Dieses Treffen in Saalfeld – ich war dorthin eingeladen, wusste aber absolut nicht, worum es geht, so wie die meisten anderen Teilnehmer auch nicht. Ich bin mit einer befreundeten Sängerin hingefahren. Wir hatten eine Unterkunft, mitten während des “Beherbungsverbots“. Wie wir nun rückblickend wissen, war diese Unterkunft bereits ein kooperierendes „Reichsbürger-nahes Hotel“ - aber davon hatten wir alle keine Ahnung, wir wussten nur, das Hotel ist Querdenken-freundlich, da können wir trotz Beherbungsverbot übernachten, inklusive einem Code-Wort am Eingang.
Am nächsten Morgen war dann dieses Treffen. Es war von 11 bis 18 Uhr anberaumt, also den ganzen Tag. Ich dachte, es würde um ein „Strategietreffen“ für den 18. November in Berlin gehen, wo über die Änderung des Infektionsschutzgesetzes abgestimmt werden sollte. Ich dachte, dass Querdenken da irgendeine Aktion initiiert. Aber Querdenken hat schlussendlich zum 18. November noch nicht einmal aufgerufen, obwohl das meiner Meinung nach der wichtigste Zeitpunkt des ganzen Protestes war.

Das ist in der Tat seltsam für eine Organisation, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Speerspitze des Corona-Widerstands in Deutschland zu repräsentieren. Wie ging es in Saalfeld weiter?
Da sind wir also alle am Morgen zu diesem Treffen hin. Es waren alle möglichen Leute dabei, Markus Haintz, Ralf Ludwig, Karl Hilz, Alexander „Honk for Hope“ Ehrlich, Martin Lejeune, mein Kumpel Daniel Igwe, sowie einige weitere Künstler und Entertainer. Inzwischen gibt es bei Psiram eine Teilnehmer-Liste, aber mit etlichen Falschangaben. Bodo Schiffmann war nicht dabei. Auch Stephan Bergmann, der damalige Pressesprecher von Querdenken, ist gar nicht erst hingefahren. Er hatte wohl schon im Vorfeld geahnt, das ist eine Falle. Ballweg hatte ihm seit der Leipzig-Demo gesagt, er solle seine Pressearbeit einstellen. Ballweg hat sich laut Bergmann null in die Karten gucken lassen und muss wohl öfter gegenüber einzelnen Mitstreitern sehr launisch reagiert haben. Es waren alle Querdenken-Regional-Organisatoren bei dem Treffen dabei. Darunter auch durchaus gute Leute, die mit Sicherheit nicht alle „falsch“ sind.
Es ging also los in diesem Restaurant, La Hacienda mexicana. Zuerst hat Ballweg einen kurzen Einführungsvortrag gegeben, ein paar Orga-Tafeln präsentiert, und dann seinen Gastredner angekündigt. Und dann kam dieser Typ, dieser Peter Fitzek herein. Die Gesichter, als Fitzek zur Tür reinkam - die hättest du sehen müssen. Viele Teilnehmer trauten ihren Augen kaum. Fitzek stellte sich vor als “Der König von Deutschland” und kündigte an, wir seien hier in absoluter Sicherheit, das Restaurant gehöre zum Staatsgebiet des „Königreichs von Deutschland“. Das sei ein souveränes Gebiet, die Polizei könne hier nicht herein.
Ich war sehr konsterniert, aber habe mir dann den Vortrag erst einmal angehört. Ich kannte Fitzek nur aus dem Internet und wollte natürlich auch wissen: Was ist das für ein Typ? Sein Vortrag war auch nicht vollkommen uninteressant, aber die ganze Situation wirkte auf mich vorsichtig gesagt skurril - um nicht zu sagen, wahnsinnig und gefährlich, so ein Treffen in dieser Situation überhaupt zu veranstalten. Ich hatte kein gutes Bauchgefühl bei der Sache.
Das kann ich mir vorstellen.
Das Ganze wäre allerdings noch viel schlimmer ausgegangen, wenn ich nicht dabei gewesen wäre, weil - wie das Leben eben so spielt – ich in Erlangen einen Auftritt hatte und um 13 Uhr schon wegmusste. Die mit mir befreundete Sängerin hat mich zum Bahnhof gefahren und ist dann wieder zurück zum Treffen in Saalfeld.
Als sie dort ankam, war die ganze Bude schon mit Polizeiwannen umstellt. Sie hat dann mehrere Leute von der Veranstaltung einzeln angerufen und gewarnt, hört mal, ihr seid von der Polizei umstellt. Das sieht so aus, als wenn die gleich eine Razzia bei euch machen wollen. Ebenso hat sie geistesgegenwärtig darauf bestanden, dass die Kamera, die die gesamte Zeit auf den Eingangsbereich gerichtet war – die pikanterweise alle Teilnehmer beim Rein- und Rausgehen, sowie den Vortrag Fitzeks dabei aufnahm – sofort weggeräumt wird. Die Kamera kam also weg, und viele Teilnehmer der Veranstaltung türmten daraufhin aus dem Hinterausgang. Bis zum Zugriff der Polizei dauerte es aber noch etwas mehr als eine Stunde. Viele derer, die die Veranstaltung verlassen hatten, regten sich auf und waren einigermaßen entrüstet und übertölpelt von der Aktion. Karl Hilz, Markus Haintz und dieser Martin Lejeune waren dabei, die waren ziemlich sauer. Etwa die Hälfte der Leute waren also schon weg. Unter anderem Michael Ballweg und Alexander „Honk for Hope“ Ehrlich sind bis zum Schluss geblieben. Ich war ja nicht mehr dabei, aber das Ganze endete mit einer Razzia der Polizei und Anzeigen wegen dem Verstoß gegen die Corona-Schutzverordnung.
Das Ganze wäre allerdings noch eine völlig andere Geschichte geworden, wäre die Kamera von der Polizei konfisziert worden, mit der gesamten Querdenken-Spitze vor Ort. Dann hätte es Stoff für eine „Exklusiv-Sondersendung“ gegeben. Und alle Nebenfiguren, mich eingeschlossen, wären medial vernichtet worden. So ist es zwar immer noch an die Presse gelangt, aber viel kleiner. Die Polizei hätte in Ruhe die ganze Querdenken-Spitze analysieren können: Wer ist da alles dabei? Durch die Warnung konnte die Aktion zumindest in Teilen vereitelt werden, sonst wäre Querdenken kurz vor der Berlin-Demo am 18. November komplett ‘im Arsch’ gewesen.
Möglicherweise wurde Querdenken durch die Aktion ohnehin irreversibel beschädigt, egal welche Bilder genau davon nach draußen drangen. Glaubst du, dass es der Zweck der ganzen Übung war, Querdenken gezielt ‘an die Wand zu fahren’?
Davon gehe ich aus, dass dies der Zweck der ganzen Übung war. Ballweg hat später zugegeben, ja, es sei eine Falle gewesen - in die er aber selbst hineingelockt worden wäre. Das kann so aber gar nicht sein, das Statement von ihm stimmt vorne und hinten nicht. Sollte es tatsächlich kein Kalkül von ihm, sondern Dummheit gewesen sein, so müsste man ihm vorwerfen, dass er nicht dazu in der Lage ist, eine solche Bewegung überhaupt zu führen. Das hieße dann nämlich, er ist hochgradig unfähig. Und da glaube ich eben nicht an diese Unfähigkeit. Ein Beispiel: Michael Ballwegs komplette Vergangenheit ist im Internet gelöscht worden. Er war ja vor Querdenken ein erfolgreicher Unternehmer, hat mit Microsoft zusammengearbeitet. Und solche Leute lassen dann mal eben ihre gesamte Vergangenheit im Internet löschen?
Er hat auch mit Bosch und Daimler zusammengearbeitet, direkt nach der Gründung seines ersten Start-Ups, und so sympathische Produkte wie Kinder-Tracking-Software auf den Markt gebracht - später Tracking-Software für Unternehmen, die ihre Angestellten eh schon über alle Maßen ausbeuten. Das ist hochgradig involviert in die Überwachungsphilosophie der Vierten Industriellen Revolution.
Genau! Querdenken hat mich dann später nochmal angefragt, für einzelne Demos. Ich bin aber gerade in Mexiko und weiß gar nicht, ob ich überhaupt wieder zurückkommen will. Ich glaube, diese organisierten Demos mit den Querdenken-Bühnen braucht es eigentlich gar nicht. Es würde vollkommen ausreichen, wenn jeder mit ein paar Freunden und einem Kochtopf einfach loszieht und demonstriert. Diese organisierten Geschichten, da kann man sich Null drauf verlassen. Ich verstehe auch rückblickend überhaupt nicht, warum alles unbedingt unter dem Label Querdenken laufen musste. Dafür hatte sich damals sich die Organisation starkgemacht, unter anderem Nana Domena. Ich erinnere mich, dass es in Köln daraufhin mit regionalen Ortsgruppen und Demo-Anmeldern auch Streitigkeiten gab. Das Label war spätestens infolge von Saalfeld total verbrannt, aber trotzdem sollte jede Gruppe auf Teufel komm raus Querdenken heißen. Vielleicht, damit alle Spenden bei der Zentrale in Stuttgart ankommen, oder was könnte da sonst ein dienlicher Grund sein?
Erhielten nur die „Eingeweihten“, die zum engeren Kreis gehörten, Geld?
Über genaue Gagen weiß ich nichts. Aber die Hauptakteure, die große Reichweite hatten und auch heute noch haben, erhielten enorme Unterstützung von gutherzigen Menschen. Mir persönlich wäre so etwas ja peinlich, jeden kleinen Beitrag mit einem Spendenaufruf zu versehen, wie es auf Telegram reihenweise in den Kanälen der Fall war. Samuel Eckert beispielsweise fand ich persönlich eigentlich immer recht nett, er macht gute Arbeit in Sachen Themenaufarbeitung, aber der hat auch ein Wahnsinns-Geschäftsbewusstsein. Der sammelt und sammelt und sammelt. Das kam mir komisch vor. Gut, er ist eben Unternehmer, er war auch vorher schon reich. Wenn er sich jetzt hauptberuflich dieser „Arbeit“ zuwendet, dann hat er vielleicht auch viele Ausfälle - aber dennoch sind es beachtliche Summen, die die da abgreifen. YouTube, die ganzen Kanäle, D-Live, die zahlreichen Live-Streams.
Aber auch im Kleinen gab es Irritationen: Ein sehr engagierter Querdenken-Moderator hatte mir erzählt, er bekäme kein Geld, aber dann ließen andere Mitglieder verlauten, er bekäme Geld, sogar recht gutes Geld. Dann kommen einem doch leise Zweifel, was man da überhaupt noch glauben soll. Aber alle Musiker, die auf Querdenken-Demos aufgetreten sind - von denen weiß ich mit Sicherheit, dass sie von der Organisation, so wie ich auch, kein Geld erhalten haben. Aber für einige Aktive schien hier ein regelrechtes Geschäftsmodell zu entstehen, was ich persönlich problematisch finde. Und dann die Sache mit dieser Bustour - da habe ich mich schon gefragt: Was machen die da eigentlich?
Meinst du die “Corona-Info-Tour”?
Ja, genau. Es ging dabei darum, Menschen „außerhalb der Blase“ zu erreichen. Aber warum haben sie dann jeden Abend ihr Programm mit der Deutschland-Hymne beendet? Wie kann man so etwas bloß machen? Nicht, dass an der Deutschland-Hymne an sich irgendwas verkehrt wäre, und sicher braucht es auch Einigkeit und Recht und Freiheit – aber strategisch es doch das Dümmste, was man machen kann! Denn damit ist ja dann gerade den Personengruppen, die man gewinnen wollte, klar: Ah, das sind also die Rechten. Wir sind hier in Deutschland eben so sozialisiert worden: Patriotismus und das Hantieren mit nationalen Symboliken, inklusive der Deutschland-Hymne, gilt als “rechts”. Wenn es also wirklich darum hätte gehen sollen, in Deutschland Mehrheiten zu gewinnen, dann spielt man doch nicht jeden Abend die Deutschland-Hymne! Das hätten Samuel Eckert und Ralf Ludwig, die über feine Antennen verfügen und weltgewandt erscheinen, eigentlich wissen müssen.

Die Regional-Gruppen von Querdenken, das waren wirklich mehrheitlich ganz aufrichtige Leute. Die haben sich salopp gesagt den Arsch aufgerissen, und auf persönlicher Ebene viel Gegenwind bekommen. Die haben auch ihre Existenzen gefährdet, für ihre Überzeugung, für Wahrheit und Freiheit einzustehen. Ich habe einige bei der Demo am 18. November 2020 in Berlin getroffen, auch viele mutige Frauen stellten sich dort direkt in die erste Reihe vor die Wasserwerfer und trotzten der Polizeigewalt, solange es möglich war.
Das glaube ich dir, dass da durchaus gute Leute dabei waren.
Ja, und in meinen Augen wurden die von der Führung, unter dem Dach von Querdenken benutzt. Über die wurden lokal Spenden abgegriffen - das Geld ist aber bei Ballweg gelandet, dabei hätte es eigentlich gut für andere Sachen verwendet werden können. Es sind wirklich gute Leute von Querdenken „gemolken“ worden, sagen wir es mal so.
Außerdem hätte Querdenken längst ein eigenes Presseteam auf die Beine stellen müssen, dass die Veranstaltungen dokumentiert, nach der Devise, so war es wirklich, das sind unsere Bilder – und dort sind z.B. irgendwelche Leute vom Verfassungsschutz, Provokateure und Unruhestifter, die nicht zu uns gehören. Die tauchten zufällig immer genau dann auf, wenn Kamerateams der Öffentlich-Rechtlichen erschienen - und sind danach wieder verschwunden. Es gab unzählige Beispiele dafür, und man hätte die eigenen Bilder dann zentral der Öffentlichkeit und der Presse präsentieren können. So hätte man der medialen Schelte und dem Framing etwas entgegensetzen können. Aber nein, die Dokumentation haben sie lieber irgendwelchen YouTubern und Bloggern überlassen. Dabei hätte man das mit relativ geringem Aufwand selber machen können, und selber machen müssen. Wenn man beim ersten Mal nicht dran denkt, okay - dann aber beim zweiten Mal auf jeden Fall. Ballweg selbst kommt ja als Unternehmer aus dem Internet - seltsamerweise hat er aber den sich abspielenden “Informationskrieg” nie groß thematisiert. Er schien auch gar kein Bewusstsein dafür zu haben, wie zahlreiche Rechts-Verbindungen oder auf Demos getätigte Symbole in der öffentlichen Wahrnehmung ankamen.
Kann man sagen, dass Querdenken die Teilnehmer der Demos der diskreditierenden Darstellung der Massenmedien gewissermaßen zum Fraß vorgeworfen hat - und selbst maßgeblich zu dieser Diskreditierung beitrug?
Absolut. Hast du das Interview mit Ballweg bei den öffentlichen Medien gesehen, z.B. mit Olaf Sundermeyer? Ballweg konnte ja noch nicht mal den wichtigsten Punkt vorbringen: Dass es keine Evidenz für eine Notwendigkeit und Wirksamkeit der Maßnahmen und auch keine auffällige Übersterblichkeit - zumindest bis zum Start der Impfkapagne gab - die solche historisch einmaligen Grundrechtseinschränkungen irgendwie gerechtfertigt hätte. Dass jegliche Schadensabwägung ein Tabuthema war, obwohl zahlreiche Studien unsere Standpunkte belegten. Und er konnte nicht schlüssig vorbringen, worum es bei Querdenken eigentlich geht, obwohl man es in einem einzigen Satz hätte formulieren können. Er hat da in meinen Augen ein ganz schwaches Bild abgegeben. Er ließ sich hauptsächlich auf Diskussionen um die Abgrenzung nach rechts ein und brachte wenig Sachliches, Inhaltliches hervor. Das kann man vielleicht mit Naivität und fehlender Medienroutine erklären, aber nach der Saalfeld-Sache eigentlich nicht mehr. Denn: Ballweg wurde zum damaligen Zeitpunkt bereits vom Verfassungsschutz überwacht. In einer solchen Situation, zum wichtigsten Zeitpunkt des Protestes, triffst du dich doch nicht einfach mit dem Kopf der Reichsbürger in Deutschland, lädst deine ganze Spitze dazu ein und lässt sie gleichzeitig im Unklaren darüber, worum es bei dem Treffen geht - und wer der Gastgeber sein wird. Und dann lässt du die Polizei antanzen… nee, also sorry. Sowas geht einfach nicht. Seitdem bin ich bei Querdenken raus - und das war auch der Anfang vom Ende für die Organisation. Viele der anderen Teilnehmer der Veranstaltung sagten später, die Hacienda mexicana in Saalfeld sei das “Grab” von Querdenken gewesen.
Was ziehst du persönlich aus der Saalfeld-Erfahrung bzw. aus deiner Zeit mit Querdenken?
Ich sehe und sah mich nie als dem Label Querdenken zugehörig oder untergeordnet, sondern habe stets eigenständig und auf eigene Faust handelt. Daher bin ich genau genommen weder Ein- noch Aussteiger - aber lassen wir den Begriff trotzdem mal so stehen.
Meine persönliche Bilanz: Ich habe viele mutige und beherzte Menschen weltweit getroffen, und bin dankbar für viele tolle Begegnungen. Etliche davon auf Demos, die in Deutschland inzwischen ein stabiler Selbstläufer sind. Auch hier in Mexiko kommen Menschen aus der ganzen Welt zusammen, die aus ihren Ländern berichten und ähnliche Inhalte reflektieren. Rückblickend ist es gut und wichtig, auch mal aus der Distanz zu schauen, wie sich die Dinge entwickelt haben, und wie alles ineinander greift: Was wurde wann von wem gemacht, was wurde unterlassen. Wie wurden die Dinge von außen wahrgenommen, was wurde medial wie aufgegriffen, und wie verarbeitet. Da wir alle Menschen sind, sind Fehler und Schwächen natürlich grundsätzlich kein Problem. Wichtig ist nur, dass man wahrhaftig ist und ehrliche Ziele verfolgt. Sonst wird es schwierig, gemeinsam zu gehen. Ich möchte niemandem einen Vorwurf für Fehler machen, solange es aus guten Motiven geschah. Vielen Menschen in der Bewegung, die sich ehrlich engagiert haben, kann ich nur dankbar sein - und diesen Dank möchte ich den Menschen im Widerstand an dieser Stelle auch aussprechen.
Sollte sich jedoch herausstellen, dass diese Bewegung strukturell unterwandert und fehlgelenkt ist, so möchte ich nicht in der Haut der verantwortlichen Personen stecken. Denn das wird auf sie zurückfallen. Es schauen inzwischen tausende - zwar noch mit wohlwollendem Blick, aber auch eigenständig und kritisch denkend, gebannt auf die Früchte jeder Handlung. Ich bitte alle Menschen, die Geld und Daten gesammelt, die Strukturen geschaffen haben: Tut das Richtige - Setzt euch bitte zum Wohle der Menschheit ein.
Danke.
Lieber André - ich danke dir ganz herzlich für das offene und aufrichtige Gespräch!
Quellen:
FAZ: Audienz bei König Peter 1.
Spendenstrukturen von Querdenken beim “Neo Magazin Royale” von Jan Böhmermann
Michael Ballweg Interview mit Anselm Lenz bei Apolut (11.05.2022)
Michael Ballweg war Präsident bei Roundtable 23
Artikel von Martin Lejeune zum Saalfeld-Treffen
Interview mit Stephan Bergmann, unter anderem zum Saalfeld-Treffen
Teilnehmerliste des Saalfeld-Treffens (laut Krengel fehlerhaft) im Psiram-Eintrag zu Michael Ballweg
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Das wirkt auf mich alles so wie eine persönliche Verletzung von André Krengel – tut mir leid. Dass dieses Treffen ein riesen Fehler war, ist klar. Aber Michael Ballweg die böse Absicht zu unterstellen, die Bewegung ans Messer zu liefern ist absurd und zeig wie wenig der André in Wahrheit mitbekommen hat, obwohl er doch so dicht dran war. Das Gleiche gilt für die Art und Weise, wie er die Bustour kommentiert. Man muss das nicht gut finden, aber Indem er das Absingen der Deutschland Hymne als Merkmal für rechte Gesinnung brandmarkt übernimmt er die Sicht der so genannten liberalen Eliten, ist ihm das nicht bewusst? Und das Interview mit Olaf Sundermeyer war nicht nur in meinen Augen zwar ein Reinfall, aber nicht, weil Michael Ballweg da irgendwas mit Absicht weggelassen hätte. Er war (und ist) vermutlich immer noch politisch sehr naiv und hatte nicht die Abgebrühtheit und die Erfahrung, um dem schrägen Sundermeyer Paroli zu bieten. Nein, es ist vieles schlecht gelaufen und dass dieses Saalfeld Treffen von der medialen Propaganda ausgenutzt worden ist, um den Begriff Querdenker gesellschaftlich als Wert zu vernichten ist absolut eine Tatsache und geht auf Michael Ballwegs Konto. Aber nicht als bewusste Aktion, sondern tatsächlich als Dummheit. Er war ein wichtiger Impulsgeber in den ersten Monaten, aber dann war er einfach nur noch überfordert von dem, was er los getreten hat. Und klar kann man ihm vorwerfen, dass er das Label weiterhin versucht hat in seinem Sinne zu kontrollieren. Aber auch daran ist in meinen Augen nichts wirklich bösartiges, sondern es ist seinem Mangel zuzurechnen die ganze Situation wirklich umfassend sehen und analysieren zu können. Er hat einfach so weiter gemacht, wie er es als Unternehmer gelernt hat. Das ist dumm, weil es um etwas anderes ging, aber es war nicht falsch im Sinne von bösartig. André Krengel und andere, die sich gekränkt fühlen, sollten loslassen. Querdenken und Ballweg sind längst nicht nur auf der Straße von vielen anderen Einzelkämpfern und Initiativen eingeholt und in der Funktion, die sie hatten zeitgemäß ersetzt oder ergänzt worden. Trotzdem spielen sie mit und ich finde, wir sollten ihnen mit dem gleichen Respekt begegnen, wie allen anderen auch, die sich engagieren. Alles andere ist "dIvide et impera", die Technik schlechthin, den Widerstand zu spalten. Und davon haben wir wahrlich genug erdulden müssen, als dass wir es uns leisten könnten, dem auch noch selber Vorschub zu leisten. Punkt.
Wie immer, klar positioniert und penibelst recherchiert . Vielen Dank dafür.