Bildungsferner Journalismus
Hauptstadtkorrespondentin Petra Pinzler saß im maskenlosen Regierungsflieger. Nach dem Shitstorm verfasst sie dazu in der ZEIT einen Kommentar, der vor Ignoranz und Empathielosigkeit nur so strotzt
Ein Kommentar zu Petra Pinzlers Artikel vom 24.08.22 in der ZEIT
Petra Pinzler ist “Hauptstadtkorrespondentin” bei der ZEIT und bezeichnet sich vorsichtshalber lieber selbst als embedded journalist, bevor andere dies tun. Frau Pinzler war beim maskenlosen Regierungsflug nach Kanada dabei und sieht sowohl in dem Flug, als auch ihrer eigenen Maskenlosigkeit dabei kein Problem. Sie ist nicht in der Lage, zu erkennen, dass es beim sogenannten “Maskengate” um weit mehr geht als nur um Masken: Es geht um die Frage sozialer Gerechtigkeit, um die Kraft von Symbolen, um Recht und Gesetz, das im Rechtsstaat für alle zu gelten hat - und um die Normalisierung eines Neofeudalismus, dessen Zeuge wir gerade werden. Um all diese Implikationen zu verstehen, ist Frau Pinzler - man muss es leider so klar sagen - zu ungebildet. Wir leisten uns eine Presse, die weniger von der Welt versteht als jedes Grundschulkind, und so regierungsnah ist, dass sie nicht an dem Ast sägen kann, auf dem sie selbst sitzt.
Eigentlich muss man Petra Pinzler Danke sagen - für diesen Einblick in das Mindset von sogenannten embedded journalists, der noch viel gruseliger ist als alles, was ich mir hätte vorstellen können. Sie beginnt ihren Artikel “Bundesregierung: Wir wollen nur spielen” über das sogenannte “Maskengate” mit der rhetorischen Frage, wer hier eigentlich spinnt. Die Antwort, welche sie damit impliziert, ist klar: Die Bürger, welche sich über eine Lappalie wie einen maskenfreien Regierungsflug so dermaßen aufregen, spinnen. Embedded journalism am Limit.
Frau Pinzler zeigt in ihrem Meinungkommentar unfreiwillig einige Dinge auf: Eine völlige Ignoranz gegenüber wissenschaftlichen Fakten, eine Verachtung für die Bürger, ein Fehlen von Herzensbildung und Empathie. Vor allem aber unterstellt sie dem gemeinen Bürger eine Lust an der Aufregung, am politischen Skandal:
Es ist in diesem Fall ähnlich wie bei vielen anderen Anlässen zur Empörung: Fakten und Erklärungen zählen wenig, zumindest wenn es einfach mal wieder schön ist, sich so richtig über die da oben aufregen zu können.
Das liebste Hobby des Bürgers, sich “über die da oben aufregen”. Am liebsten täte er, tagein, tagaus, nichts anderes mehr, einfach weil “es mal wieder schön ist”.
Ihr Hauptargument für die Rechtmäßigkeit des maskenlosen Kanzlerfluges, während für alle anderen Flüge nach und von Deutschland weiterhin Maskenpflicht gilt: Alle Passagiere mussten geimpft sein. An Frau Pinzler scheint die Debatte, dass eine Impfung nicht vor Infektionen schützt, komplett vorbeigegangen zu sein. Sie hat sämtliche Beiträge dazu, die seit Monaten von Wissenschaftlern in Fachbeiträgen, Artikeln und auf Social Media veröffentlicht werden, verschlafen. Dass ihre geimpften Freunde an Corona erkranken - sogar schwer erkranken, wie das Beispiel der vierfach geimpften, ebenfalls im Regierungsflieger sitzenden Annalena Baerbock beweist, kann sie intellektuell weder begreifen, noch in eine vernünftige Relation zur Wirklichkeit setzen. Ihr Argument, was den Kanzlerflug von anderen Flügen unterscheidet - alle Passagiere mussten geimpft sein - ist somit ein klassisches Non-Argument, ein leeres Argument. Es ist komplett unerheblich, ob alle Passagiere im Flieger geimpft waren: Sie alle können sich mit Corona infizieren und eine Infektion weitergeben.
Frau Pinzler besitzt zudem kein Verständnis dafür, was es bedeutet, dass die gleichen Herrschaften, die gerade maskenlos mit ihr im Flieger saßen, aktuell ein neues Infektionsschutzgesetz verabschieden wollen, das dem gewöhnlichen Bürger noch härtere Maskenpflichten für Monate, wenn nicht gar Jahre, auferlegt. Statt medizinischen Masken soll jetzt sogar eine FFP2-Maskenpflicht in Zügen und im Flugverkehr in Deutschland gelten - und das, obwohl sogar die Lufthansa von der Politik ein Ende der Maskenpflicht auf Flügen fordert, weil der deutsche Sonderweg nur noch schwer erklärbar sei. Der Journalist Robin Alexander, der ebenfalls maskenlos bei besagtem Regierungsflug dabei war, nimmt immerhin wahr, dass das Timing der Kabinettssitzung über die Änderung des Infektionsschutzgesetzes, direkt nach dem Maskengate-Skandal, “suboptimal” war:
Frau Pinzler fragt in ihrem Kommentar - wieder rhetorisch - ob wir die falschen Prioritäten hätten, wenn um Kleinigkeiten wie einen maskenlosen Flug ein solches Aufheben gemacht würde. Sie fragt dies, weil sie nicht in der Lage ist, die Bedeutung von Symbolen zu begreifen. Der Mensch ist laut dem Soziologen Ulf Hannerz ein "symbolisches Tier": Symbole konstituieren demnach unsere gesamte Wirklichkeit, vom Alltag, über die Sprache, die Bilder, mit denen wir kommunizieren bis hin zu Ereignissen, mit denen wir im politischen Raum Bedeutung kodieren.
Laut Pinzler gäbe es einen Unterschied zwischen einem "geimpften Kanzlerflug" und "kommerziellen Flügen". Es drängt sich die naheliegende Frage auf: Welchen denn, wenn die Impfung nicht vor Infektionen schützt? Außer der Symbolkraft, die sie komplett vernachlässigt? Warum können sich die Teilnehmer eines “kommerziellen Fluges” nicht auch 24 Stunden vor Flugbeginn mittels eines PCR-Tests von der Maske “freitesten”? Und wieso mussten die Mitglieder der Kanada-Delegation auf ihren weiteren Flügen durchs Land weder einen PCR-Test vorlegen, noch weiter Masken tragen, wie die Berliner Zeitung berichtete?
Einzig Robert Habeck trug als Reaktion auf die Empörung auf einem Kanada-Flug Maske, wie der Journalist Robin Alexander in einem Tweet zugab. Aus symbolischen Gründen also, und nicht wegen der Gefährlichkeit des Virus.
Nicht genug damit, dass Pinzler Tatsachen wie die Wirkungslosigkeit der Impfung sowie die Bedeutung von Symbolen für das menschliche Zusammenleben nicht verstanden hat - sie verfügt auch über keinerlei Empathie. Sie beweist diese Empathieferne, als sie das Sprengstoffpotential der maskenlosen Flieger-Situation völlig falsch einschätzt:
“Ich war dabei und ich habe den Skandal nicht gesehen. (…) Als Kollegen über den Bericht des Morgenmagazins plauderten, in dem die Sache unabsichtlich enthüllt worden war, weil die Kollegin einen Bericht über die Reise mit Bildern aus der Flugzeugkabine unterlegt hatte, schmunzelte ich nur.”
Sie schmunzelte nur. Im gleichen Abschnitt entblößt sie zudem unfreiwillig, dass ihr durchaus klar ist, dass maskenloses Fliegen ein Privileg darstellt, als sie Armin Laschet Neid auf den maskenlosen Regierungsflug unterstellt:
“Und als sich dann der ehemalige Kanzlerkandidat Armin Laschet auch noch auf Twitter über die Maskenlosigkeit der Reisegruppe empörte, dachte ich nur kurz: Ach, der Laschet! Wie gerne würde der jetzt selbst - ohne Mundschutz - in diesem Flugzeug sitzen.”
“Ich dachte, jetzt kommen noch ein paar solcher Twitter-Blüten, aber das war es dann. Was für ein Irrtum.”
Ja, was für ein Irrtum. Hat dieser dumme Twitter-Pöbel denn wirklich keine anderen Sorgen, als sich über einen maskenlosen Regierungsflug aufzuregen? Die Arroganz, die aus solchen Zeilen spricht, ist kaum zu übersehen.
”Ich unterschätzte die Wollust, mit der der Streit über sie [die Maske] immer wieder ausgetragen wird.”
Wollust. Die Lust am “Aufregen”. Menschen, die sich angesichts von weniger Privilegien im Leben der Maskenpflicht über viele Stunden nicht entziehen können, handelten angeblich aus “Wollust”, aus Sensationslust am politischen Skandal.
An dieser Stelle sei die naheliegende Frage gestattet: Wie lange trägt eine Hauptstadtkorrespondentin, die für die ZEIT, höchstwahrscheinlich zumeist im Homeoffice und auf Zoom-Konferenzen tätig ist, überhaupt Maske? Dreißig Minuten lang, im Supermarkt? Sie entlarvt an dieser Stelle, dass ihr jegliche Empathie dafür fehlt, dass viele Berufstätige und Schulkinder die Maske nicht nur kurz, sondern mehrere Stunden täglich tragen müssen. Bei Oberschülern kann es sich dabei um bis zu acht, neun Schulstunden pro Tag handeln, wenn noch Maskenpflichten bei Freizeitaktivitäten und in öffentlichen Verkehrsmitteln dazu kommen, deutlich länger. Ihr fehlt jede Empathie für Menschen, für die eine stundenlange Maskenpflicht im Alltag einen echten Leidensdruck darstellt. Wie der Arzt und Twitter-User Dr. Christian Winter Frau Pinzler korrekt darauf hinweist, hatte sie die Maskenpflicht für Schulkinder bislang in keinem einzigen ihrer Artikel thematisiert.
Womöglich liegt es aber einfach nur daran, dass sie “sachlicher” als der Durchschnittsbürger ist:
”Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich selbst ein eher sachliches Verhältnis zur Maske habe.”
Der Subtext, der hier transportiert wird, ist klar: Hauptstadtkorrespondentinnen wie sie haben eine sachliche Einstellung zu den Dingen, gewöhnliche Bürger sind in ihren Empfindungen irrational und unsachlich.
In ihrer hauptstadtjournalistischen Sachlichkeit von Gottes Gnaden empfindet sie die Maske, die sie in ihrem bequemen Homeoffice-Leben nur temporär und kurz tragen muss, maximal als lästig, meistens jedoch als “Schutz”. Keine Spur einer Einsicht, die nach 2,5 Jahren sogenannter Pandemie bei einer Journalistin eigentlich vorhanden sein sollte: Nämlich, dass sich Länder mit und ohne Maskenmandate in keinster Weise voneinander unterscheiden, was Inzidenzen und die Ausbreitung des Virus anbelangt. Auch den Evaluationsbericht des Sachverständigenausschusses hat Frau Pinzler offenbar nie gelesen: Dieser kommt zu dem Schluss, dass “insgesamt ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Inzidenz und der Maßnahmenstärke nicht erkennbar” sei.
Sie spare sich ihre “Leidenschaft" lieber für andere Themen auf. Klar, die gute Dame von der ZEIT ist für Höheres bestimmt. Welchen Themen diese "Leidenschaft" gilt, schreibt sie später in ihrem Kommentar: Gas, Wasserstoff und andere Rohstoffe aus Kanada, das Freihandelsabkommen CETA, der Ukraine-Krieg, “große Themen” also, wie Energie, Zukunft oder Krieg.
Und der dumme Pöbel interessiert sich nicht für diese höheren Themen, diese sind einzig und allein unseren heroischen Regierenden aufgebürdet, die “in zwei langen Tagen und kurzen Nächten ein dichtes Programm mit vielen Themen haben”. Da muss man diese armen Politiker doch nicht noch mit zusätzlichen Lappalien wie Maskenpflicht im Flieger belästigen!
Frau Pinzler hat offenbar auch die globalisierungskritischen Anti-TTIP- und CETA-Demonstrationen von 2010, die vielen als Vorläufer der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen gelten, komplett verpasst. Ebenso, dass seitens der Bürger, die sich für Evidenz und soziale Gerechtigkeit einsetzen, alle von ihr angesprochenen Themen tagein, tagaus, in der von ihr geforderten Leidenschaft öffentlich diskutiert werden. Mit welcher Arroganz nimmt sich eine weltfremde Journaille eigentlich heraus, Mitmenschen Leidenschaft für relevante Themen und selbstbestimmtes Denken abzusprechen?
Aber das "Grande Finale" des empathiebefreiten Schmierstücks kommt noch: "Ja, geht’s noch, Leute? Oder amüsieren wir uns gerade zu Tode?", fragt sie, in Anlehnung an den Titel eines Buches von Neil Postman von 1985. "Haben wir vielleicht doch keine echten Probleme?" fragt sie weiter.
Es gibt ein Wort, für das, was Frau Pinzler hier gerade betreibt: Projektion. SIE hat keine anderen Probleme. SIE amüsiert sich zu Tode. SIE sitzt im Regierungsflieger ohne Maske und amüsiert sich über den angeblich neidischen Laschet, sie schmunzelt über den gerade anlaufenden Shitstorm. Sie hat ein weiches finanzielles Polster bei der ZEIT und daher keine anderen Sorgen, keine Existenznöte wie kleine und mittelständische Unternehmen, die gerade nicht mehr wissen, wie sie die steigenden Energiekosten bezahlen sollen, deren überteuerte Konditionen Olaf Scholz gerade in Kanada ausgehandelt hat.
Frau Pinzler fragt in ihrem Artikel, wer hier eigentlich spinnt. Nun - innerhalb eines politischen Diskursraumes, in dem alle Diskursteilnehmer auf Augenhöhe agieren, sollte man grundsätzlich erst einmal niemandem unterstellen, dass er spinnt: Es findet eine öffentliche Auseinandersetzung auf Grundlage von Argumenten statt, in der sich im Idealfall das beste Argument durchsetzt. Aber die gute Dame hat schließlich gefragt, und deshalb darf die Frage auch beantwortet werden: Journalisten wie Frau Pinzler, die weder über eine wissenschaftliche Bildung, noch über Herzensbildung verfügen, spinnen.
In Zeiten multipler Krisen können wir uns einen embedded journalism, der sich weigert, seiner Arbeit nachzugehen, seine Rolle als Vierte Gewalt im Staat wahrzunehmen und den Mächtigen auf die Finger zu schauen, nicht mehr leisten. Gegen arrogante Bürgerverachtung gilt es, laut zu bleiben - bis auch eine Frau Pinzler verstanden hat, was ihr eigentlicher Job ist.
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Vielen Dank für Ihren wieder einmal perfekt auf den Punkt gebrachten Artikel.
Genau diese Gedanken gingen mir nämlich auch durch den Kopf, als ich diese unsäglichen Aussagen von Frau Pinzler gelesen habe. Zeigen sie doch überdeutlich wie abgehoben die Mainstreampresse inzwischen in immer größeren Umfang geworden ist. Da ist jeder Bezug zur Bevölkerung verloren gegangen.
Wenn man dazu die Kommentare dieses Meinungsstückes liest, erkennt man, dass es hier - wie in der gesamten Corona/Maßnahmen/Impfberichterstattung nur mehr um eins geht: sich vom Pöbel abzusetzen.
Die Legitimität aller Politik noch ihre Sinnhaftigkeit darf nicht mehr diskutiert werden. Wer dies tut, gehört nicht zu dieser neuen Feudalklasse, gibt sich als Pöbel zu erkennen und ist raus.
Mehr Distinktionsgwinn war nie. Also, nicht seit weiland 1918. Vermutlich beginnt der Mensch in Kürze wieder mit dem Leutnant.
Andererseits: auch sie wird nichts besitzen und glücklich sein. Ob eine dressierte Leistungsträgerin solche Artikel schreibt, oder eine KI bleibt sich gleich. Die KI ist nur billiger.