Das RKI und die Impfpflicht
Eines der dunkelsten Kapitel des deutschen Corona-Maßnahmenregimes waren die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die 2G-Regel und die geplante allgemeine Impfpflicht. Welche Rolle spielte dabei das RKI?
Der Winter 2021/ 2022 war der Winter der Impfpflicht in Deutschland. Nicht nur, weil im Bundestag am 10. Dezember 2021 eine direkte einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen wurde, von der alle Ärzte, Pflegekräfte, Feuerwehrleute und Sanitäter, sowie im Rahmen der sogenannten „Duldungspflicht“ auch alle Soldaten in Deutschland betroffen waren. Sondern auch, weil neben dieser direkten Impfpflicht damals auch eine indirekte Impfpflicht in Form der sogenannten „2G-Regel“ galt, die alle Ungeimpften kategorisch vom gesellschaftlichen Leben ausschloss. Die grundrechtseinschränkende Verordnung betraf - wenn man der offiziellen Impfquote von etwas unter 80% in Deutschland glauben mag – etwa ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland.
Außer Lebensmittelgeschäften, staatlichen Einrichtungen, Ärzten, Apotheken und dem eigenen Arbeitsplatz durften Ungeimpfte keine Orte des öffentlichen Lebens mehr aufsuchen: Kein Café, kein Restaurant, keinen Weihnachtsmarkt, keinen Friseur, kein Schuhgeschäft, kein Einkaufszentrum, kein Konzert, kein Theater, kein Kino, keine Bar, keinen Nachtclub. Betroffen waren insbesondere auch Kinder: Denn auch, wenn sie selbst zwar keinen Impfnachweis vorweisen mussten, konnten sie mit ihren ungeimpften Eltern nicht mehr auf den Weihnachtsmarkt, ins Restaurant, zum Sport oder ins Kino gehen. Kinder erlebten damals eine Gesellschaft, in der nicht alle Menschen selbstverständlich die gleichen Rechte hatten: Ein halbes Jahr lang wurde allen Ungeimpften in Deutschland das Grundrecht auf Selbstbestimmung (Artikel 2), Würde (Artikel 1) und Gleichheit (Artikel 3) geraubt. Sie waren Bürger zweiter Klasse.
Die massive rechtliche Diskriminierung wurde begleitet von einer medialen Diffamierungskampagne in einem seit Bestehen der Bundesrepublik nie dagewesenem Ausmaß: Es war von einer „Pandemie der Ungeimpften“ und „Tyrannei der Ungeimpften“ die Rede. Man durfte Ungeimpfte straflos als Superspreader, Schwurbler, Verschwörungsideologen, Omamörder, Wichswichtel, asoziale Trittbrettfahrer, Sozialschädlinge, Arschlöcher, Bekloppte, Ratten, Blinddärme und ähnliches bezeichnen. Man durfte laut darüber nachdenken, ihnen eine Behandlung im Krankenhaus zu verweigern, sie nicht mehr ausreisen zu lassen, oder ihnen gar den Zugang zu Supermärkten zu verwehren. Volksverhetzung? Fehlanzeige. Kritiker der staatlichen Corona-Maßnahmen mussten hingegen mit Hausdurchsuchungen, Polizeigewalt, Strafverfolgungen, Konto- und Jobkündigungen, sowie einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz rechnen. Die Politik kündigte im Winter 2021 / 2022 den Gesellschaftsvertrag auf, dass die Grundrechte für alle Bürger gleichermaßen zu gelten haben.
Die Lebensrealität der Gesellschaft wurde zweigeteilt. Der größte Teil der Gesellschaft lebte sein Leben fast wie immer – mit dem einzigen Unterschied, dass man jetzt überall sein Impfzertifikat vorzeigen musste. In der kollektiven Erinnerung der Gruppe, die von der 2G-Regel damals nicht betroffen war, wird der Winter 2021/ 2022 daher nicht unbedingt als besonders problematische Zeit im Gedächtnis bleiben. Für Ungeimpfte hingegen war es die Verletzung ihrer Grundrechte, eine traumatische Diskriminierungserfahrung und ein massiver Vertrauensbruch in die Gesellschaft.
Manch einem gingen die rechtlichen Repressalien gegen Ungeimpfte noch nicht weit genug: Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz, der sich im Herbst 2021 nach zwei gescheiterten Versuchen erneut um den Parteivorsitz der CDU bewarb, forderte einen „weitgehenden Lockdown für Ungeimpfte“. Wäre es nach Merz gegangen, hätten Ungeimpfte nicht einmal mehr die eigene Arbeitsstelle betreten dürfen, sondern „nur noch zur Apotheke, in den Supermarkt und zum Arzt“ gedurft. „Mit konsequenter 2G-Regelung wäre der Zugang zum Betrieb und zur Arbeitsstelle auch nur noch für Geimpfte und Genese möglich - mit allen Konsequenzen“, so Merz. Es müsse gelten: „Kein Ungeimpfter mehr im Büro, kein ungeimpfter Fußballspieler mehr auf dem Rasen, kein ungeimpfter Abgeordneter mehr im Bundestag, kein ungeimpfter Student mehr im Hörsaal.“
Die Amtsantrittsrede von Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. Dezember 2021 im Bundestag stieß in das gleiche Horn: Bei der Bekämpfung von Corona gebe es für seine Regierung „keine roten Linien“ mehr.
Dass er tatsächlich zu allem bereit war, hatte er vier Tage zuvor in Form der erfolgreichen parlamentarischen Abstimmung über die einrichtungsbezogene Impfpflicht bewiesen. Eine Gruppe von Abgeordneten, größtenteils aus den Fraktionen der SPD und Grünen, bereitete den gesamten Winter 2021/ 2022 über einen Gesetzesentwurf für eine allgemeine Impfpflicht vor. Die Gruppe bestand hauptsächlich aus Mitgliedern von SPD und Grünen, aber auch FDP-Abgeordnete, einschließlich der bekannten FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, waren mit dabei.

Bei der dazugehörigen Debatte im Bundestag am 17. März 2022, wurden Reden mit geradezu kreuzritterlichem Pathos geschwungen: Der damalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sprach von einer „Geiselhaft der Ungeimpften“, in der sich die Gesellschaft befände. Die junge Bundestagsabgeordnete Emilia Fester machte Ungeimpfte - und nicht etwa die Corona-Maßnahmen – persönlich dafür verantwortlich, dass sie keine Freiheit mehr hätte und nicht mehr in Clubs gehen könne. Eine Impfung dürfe laut Fester keine Individualentscheidung mehr sein: Es sei keine. Die Grünen-Abgeordnete und Bundestags-Vize Katrin-Göring Eckhardt nannte die Impfpflicht „dieses eine scharfe Schwert“, das man jetzt noch in der Hand habe - und das müsse man nutzen.
Ein beliebtes Argument in der Impfpflicht-Debatte: Diejenigen, die sich früh hätten impfen lassen, seien in eine Art Vorleistung für die Gesellschaft gegangen, seien die “Versuchskaninchen” für die anderen gewesen. „Es ist bei uns gut ausgegangen. Betrachtet uns als eure Versuchskaninchen, und jetzt macht es, es ist zu euerm Besten, und zum Besten eurer Liebsten!“, hatte Olaf Scholz am 05. September 2021 auf einer Wahlkampfveranstaltung gefordert.
Auch diejenigen, die sich unter dem Zwang der einrichtungsbezogenen Impfpflicht hatten impfen lassen, wurden zynisch für die allgemeine Impfpflicht vereinnahmt. Es wäre schließlich unfair, wenn sich nur Mitarbeiter des Gesundheitswesens impfen lassen müssten: Das war der narrative Spin, mit dem man die allgemeine Impfpflicht einführen wollte. Reziprozität wurde eingefordert, und das Recht auf körperliche Selbstbestimmung hatte gefälligst dahinter zurückzustehen. My body, my choice? Schnee von gestern, nun galten höhere Ziele: Gemeinschaftsschutz, der postmoderne Neologismus für den „Volkskörper“. Ein neues Paradigma der Medizinethik war unbemerkt eingeführt worden: Weg von der humanistisch begründeten Individualethik, hin zu einer faschistoid-kollektivistischen Gemeinschaftsethik. Eine „Ethikdebatte“ hat zu diesem heimlichen Paradigmenwechsel niemals stattgefunden.
Viele Menschen hatten damals große Angst vor der allgemeinen Impfpflicht - mit allen persönlichen, politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen, die daraus folgen würden. Der sichtbarste Indikator dieser Angst waren die Montagsspaziergänge, die Ende 2021 und Anfang 2022 deutschlandweit zunahmen: Jeden Montag trafen sich in kleinen und großen deutschen Städten hunderttausende Bürger um 18 Uhr vor ihren Rathäusern und liefen gemeinsam durch die Innenstädte – gelegentlich mit Kerzen und Lichterketten ausgestattet, manchmal singend. Die Polizei war irritiert: Teilweise ließ man die Leute gewähren und gab an die Politik weiter, dass es von Woche zu Woche mehr würden. Man möge das Problem bitte politisch lösen, und nicht auf dem Rücken der Polizei austragen. In anderen Fällen wurden friedliche Bürger Opfer von Polizeigewalt: In Berlin-Zehlendorf wurden Menschen zum Teil gewaltsam festgenommen, wenn sie eine Kerze oder ein Teelicht bei sich hatten, weil die Polizei das als „illegitime politische Meinungsäußerung“ wertete. In Brandenburg durften Ungeimpfte laut der Corona-Verordnung des Kabinetts Woidke in mehreren Monaten des Winters 2021/ 2022 zwischen 22 Uhr und sechs Uhr morgens das Haus nicht verlassen. Es war ein Winter der politischen Gewalt in Deutschland.
Nur internen Streitigkeiten ist es zu verdanken, dass die Abstimmung zur allgemeinen Impfpflicht nicht bereits im Februar stattfand, denn zu diesem Zeitpunkt wäre es angesichts der Stimmung im Land mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Mehrheit für dieses Gesetzesvorhaben gekommen. Kurz vor der Abstimmung im April wurde das ursprüngliche Vorhaben einer Impfpflicht ab 18 Jahren noch auf „ab 60 Jahre“ heruntergepokert: Das Feilschen um die Grundrechte der Bürger glich einem Kuhmarkt. Mit der gescheiterten Abstimmung über die allgemeine Impfpflicht am 07. April 2022 fand der deutsche Impfpflicht-Winter seinen Höhepunkt: Das gesamte politmediale Narrativ in den Monaten zuvor war darauf ausgerichtet gewesen.
Wie verlief der interne Diskurs im RKI während des deutschen Impfpflicht-Winters?
Anhand der Protokolle des Robert-Koch-Instituts wird deutlich, dass das RKI unter politischem Druck stand. Die faktische Abhängigkeit von politischen Vorgaben war dem RKI spätestens ab dem 10. September 2021 bewusst: Es hatte von seinem Fachreferat L1 prüfen lassen, ob das Bundesgesundheitsministerium (BMG) befugt sei, dem RKI fachliche Weisungen zu erteilen. Das Fachreferat kam zu Schluss: Jawohl, das BMG ist gegenüber dem RKI weisungsbefugt. Im RKI-Krisenstab nahm man nüchtern zur Kenntnis: „Die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI von der Politik ist insofern eingeschränkt“.
Die Protokolle des RKI-Krisenstabs im Winter 2021/ 2022 sind gekennzeichnet von inhärenten Widersprüchen und logischen Brüchen: Das RKI wusste von den politischen Bestrebungen in Richtung einer allgemeinen Impfpflicht, und auch, dass man vom RKI Rückendeckung erwartete. Das RKI entschied sich für den Weg des geringsten Widerstandes.
RKI-Protokolle zur 2G-Regel
Die politische Kampagne zur schrittweisen Einführung einer allgemeinen Impfpflicht begann im Spätsommer 2021, als die sogenannte „2G-Regel“ ins politische Blickfeld rückte. Die Politik erwartete vom RKI eine fachliche Einschätzung zu dieser geplanten Maßnahme.
In der Sitzung vom 27. August 2021 diskutierte man im RKI-Krisenstab über die Frage, ob 2G sicherer als 3G wäre. Das RKI kam zu einer ambivalenten Einschätzung: Es käme auf die Zielvorstellung an, was man damit erreichen wolle. „Der eigentliche Effekt von 2G“ sei „nicht ein größerer Fremdschutz, sondern ein größerer Selbstschutz“, heißt es im Protokoll. Wegen dieses „Eigenschutzes“ sei „2G gegenüber 3G eine geeignete Eskalationsmaßnahme bei steigenden Inzidenzen“, denn dadurch würden „Personen von schweren Erkrankungen geschützt“. Aber es sei „unklar, ob von Leuten, die nur getestet wurden, ein größeres Risiko im Sinne des Fremdschutzes ausgeht“ und ebenso „unklar, ob das mit der aktuellen Datenlage zu belegen ist.“ Das RKI schloss, dass „2G vermutlich nicht viel effektiver als 3G“ sei. Wenn das Ziel darin bestünde, schwere Erkrankungen zu verhindern, sei dies „eher möglich, wenn keine Suszeptiblen auf einer Veranstaltung sind“. Damit war gemeint, dass man Ungeimpfte durch die Verhinderung ihrer Teilnahme am sozialen Leben praktisch vor sich selbst schützen würde.
Man war sich im RKI der Problematik der Maßnahme durchaus bewusst und räumte ein, dass dies „aber eine Freiheitseinschränkung“ sei, und „eine juristische Fragestellung“ damit einhergehen würde: „Ist ein sehr paternalistischer Ansatz und nur dann gerechtfertigt, wenn KH [Krankenhäuser] wieder überlastet werden könnten“.
RKI-Protokolle zur Effektivität der Impfung
Das 2G-Regime in Deutschland wurde entgegen der Bedenken des RKI und ohne eine Überlastung der Krankenhäuser eingeführt. Politisch wurde es mit der Legende begründet, die Impfung verringere die Übertragbarkeit des Virus. Seit Beginn der Impfkampagne hatte es jedoch zu keinem Zeitpunkt Daten zu einer angeblich verringerten Übertragbarkeit gegeben – es handelte sich hierbei um geradezu lehrbuchartige „Fake News“. Am 27. Februar 2021 verkündete die BILD-Zeitung mit einem Portrait des BioNTech-CEO Uğur Şahin auf dem Titelbild: “Geimpfte sind NICHT mehr ansteckend!“.
Die Pfizer-Funktionärin Janine Small sagte am 10. Oktober 2022 lachend vor dem EU-Parlament aus, in den Zulassungsstudien sei der Effekt der Impfung auf die Übertragbarkeit des Virus gar nicht getestet worden, denn das Ziel sei nur die Verhinderung schwerer Verläufe gewesen. Daten zur Auswirkung des Impfstoffs auf die Übertragbarkeit hätte man erst „Post Marketing“ - also nach Verimpfung in der Bevölkerung - erheben können. Der Satz „Betrachtet uns als eure Versuchskaninchen“ von Olaf Scholz aus dem September 2021 hatte den Nagel unfreiwillig auf den Kopf getroffen.
Das RKI wusste seit dem Sommer 2021, dass Geimpfte eine ähnlich hohe Viruslast aufwiesen wie Ungeimpfte, und ebenfalls das Virus weitergeben konnten. Am 01. September 2021 ist in den RKI-Protokollen die Rede von „virologische[n] Daten (.), die eine ähnlich hohe Viruslast bei Geimpften wie bei Nicht-geimpften nahelegen. Andere meinten, dass jedoch epidemiologische Daten zur Übertragbarkeit durch Geimpfte fehlen würden“.
Die Erklärungen des RKI glichen einer intellektuellen Verrenkung, um der Politik dabei entgegenzukommen, Ungeimpfte anders behandeln zu dürfen als Geimpfte. Am 24. September 2021 fragte man sich im RKI: „Wird Virustransmission durch Impfung verringert? (.) 'Generell Viruslast geringer und Ausscheidungsdauer verkürzt' muss angepasst werden, [da] die Situation komplexer ist. (.) Viruslast im oberen Respirationstrakt ist bei Geimpften und Ungeimpften nicht wesentlich anders, aber bei gleicher Exposition ist eine Infektion weniger wahrscheinlich. Es gibt wenig Daten zur Ausscheidungsdauer. Das Virus verbreitet sich zurzeit bevorzugt unter Ungeimpften. Werden gleich viele Geimpfte und Ungeimpfte getestet? Eher mehr Testung von Ungeimpften.“
Dass Geimpfte eine gleich hohe Viruslast im Rachen aufwiesen wie Ungeimpfte, und das Virus demnach auch genauso weitergeben konnten, stand im Sommer 2021 sogar im Spiegel. Dennoch blieb die angeblich „verringerte Übertragbarkeit“ durch Geimpfte die offizielle Legende, mit der die beabsichtigte Einführung der Impfpflicht in Deutschland begründet wurde. Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass Geimpfte genau wie Ungeimpfte das Virus weitergeben konnten, setzte man sich im RKI dafür ein, dass Masken und Abstandsregeln zumindest auch weiterhin für Geimpfte gelten sollten. Am 24. September 2021 heißt es dazu in den Protokollen: „Wichtig: bei 2G gilt AHA+L weiter (wird auch von der Politik missverstanden)“. Dem RKI war bewusst, dass die Politik „Belohnungen“ für Geimpfte brauchte, die jedoch aus epidemiologischer Sicht keinen Sinn ergaben. Im RKI zog man es vor, dazu zu schweigen, und hoffte, dass Privilegien für Geimpfte nur mittelfristig als Impfanreiz gelten, aber langfristig wieder Maßnahmen für alle zurückkehren würden. Am 08. September 2021 heißt es dazu in den Protokollen:
„Kurzfristig ist mehr Strenge und dadurch Druck auf Ungeimpfte sinnvoll, langfristig müssen die Maßnahmen für Geimpfte wieder verschärft werden: Auch für Geimpfte Testung. Langfristig ist 2G und Testung sinnvoll. Länder gehen einen anderen Weg: keine Masken für Geimpfte, müssen Ungeimpfte (größte Krankheitslast) zur Impfung bewegen“
Intern kamen dem RKI wegen der schlechten Wirkung der Impfung bei der Verhinderung von Übertragungen immer mehr Zweifel. Am 05. November 2021 fragte man sich im RKI-Krisenstab: „Wie kann es sein, dass Daten zur Impfeffektivität am Anfang so falsch waren (Schutz vor 90% der Infektionen)?“.
Das Phänomen der sogenannten „Impfdurchbrüche“ war dem RKI spätestens seit Mai 2021 wohlbekannt:
„Indische Kollegin berichtete eindrucksvolle und auch besorgniserregende Ergebnisse über Impfdurchbrüche bei Geimpften (07.05.2021), „Ausbruch Saarbrücken Osnabrück (.) 45 Personen in Pflegeheim betreut; 19 davon pos. getestet; davon 18 vollständig geimpft; davon wiederum 7 verstorben (.) Selbst wenn Probleme nur mit 1 Batch, sind Zahlen hoch“ (14.05.2021), „Hohe Anzahl Neuinfektionen in Ländern mit hohen Impfquoten“ (28. 05.2021), „Charité-Studie zeigt Impfdurchbrüche in Altersheimen eine Woche nach der Zweitimpfung“ (11.06.2021), „Wöchentliche Info von Impfdurchbrüchen im Lagebericht“ (25.06.2021), „Eine Klärung der Impfstoffwirksamkeit auf die Übertragung ist notwendig“ (30.06.2021), „Geimpfte, die trotz Impfung infiziert sind (Impfdurchbrüche bei ca. 79%) scheiden Delta fast so aus wie umgeimpfte” (13.08.2021), „Presse: Sehr viele Anfragen zu Impfdurchbrüchen“ (29.10.2021)”
Offensichtlich misslang es den Wissenschaftlern des RKI jedoch, das politische Spitzenpersonal davon zu überzeugen, dass Geimpfte und Ungeimpfte gleichermaßen am Infektionsgeschehen beteiligt waren. Angesichts einer immer aufgeheizteren Rhetorik gegen Ungeimpfte durch Mitglieder der Bundesregierung wurde es dem RKI intern langsam mulmig. Am 05. November 2021 fielen intern die Sätze, die infolge des RKI-Leaks zu den meist diskutierten Zitaten werden sollten:
„In den Medien wird von einer Pandemie der Ungeimpften gesprochen. Aus fachlicher Sicht nicht korrekt, Gesamtbevölkerung trägt bei. Soll das in Kommunikation aufgegriffen werden? (.) Dient als Appell an alle, die nicht geimpft sind, sich impfen zu lassen. Sagt Minister bei jeder Pressekonferenz, vermutlich bewusst, kann eher nicht korrigiert werden.“
Mit Aussagen zum Übertragungsschutz der Impfung war man vorsichtig: Am 12. November 2021 ist in den RKI-Protokollen zu lesen: „2/3 Schutz vor Infektion ist kein guter Wert, RKI sollte nicht kommunizieren, dass Geimpfte keine Überträger sind, da bald viele Menschen Geimpfte Übertragende kennen werden.“
RKI-Protokolle zu Impfschäden
Aus den RKI-Protokollen geht auch hervor, dass das RKI bereits seit Frühjahr 2021 über die relativ hohe Zahl von Verdachtsmeldungen auf Impfnebenwirkungen beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) Bescheid wusste: Am 07. Mai 2021 heißt es in den Protokollen:
„Nebenwirkungsmeldungen: PEI hatte 45.000 in den letzten Wochen
Dies kann mit an der schieren Masse von jetzt >1 Mio. Impfdosen/Tag liegen
Bruchteil der Geimpften hat Impfreaktionen, diese sind meist unbedenklich werden aber dennoch gemeldet, auch aufgrund der erhöhten Aufmerksamkeit. Herausforderung für PEI ist relevante Dinge herauspicken, z.B. Myokarditis bei jungen Männern, Sinusvenenthrombosen, usw.“ (.)„Myokarditis bei mRNA-Impfstoffen: (.) Geclusterte Fälle bei Männern unter 30 stellen aktuell ein Signal dar. Ob es als Sicherheitshinweis aufgenommen wird, weiß man noch nicht, keine Kausalität etabliert. Soll beobachtet werden, aber wie bemerkt man dies? Leistungsabfall?“ (07.05.2021)
“Verlauf der Myokarditiden: meistens eher milde, selbst limitierende Verläufe.”
(17.09.2021)
Im RKI schob man die relativ hohe Zahl auftretender Impfnebenwirkungen auf die hohe Anzahl der täglich verabreichten Impfdosen von damals über einer Million Impfdosen am Tag. Die nach der Impfung vor allem bei jungen Menschen auftretende Myokarditis wurde verharmlost mit dem Hinweis auf “eher milde, selbst limitierende Verläufe”. Der Mythos der “milden Myokarditis” half dabei, daraus keine Konsequenzen ziehen zu müssen. In den RKI-Protokollen werden Impfschäden auch hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Astrazeneca-Impfstoff thematisiert. Damit war der “Sündenbock” gefunden. Darüber hinaus hielt sich das RKI für die Impfstoffsicherheit offenbar für nicht zuständig - schließlich fiel die Erhebung von Sicherheitssignalen in den Verantwortungsbereich des Paul-Ehrlich-Instituts. Dennoch hätte auch dem RKI klar sein müssen, dass man Menschen zu einem Medizinprodukt, das schwerste Schäden hervorrufen kann, eigentlich nicht zwingen darf.
RKI-Protokolle zur Impfpflicht
Wenig nachvollziehbar erscheint vor diesem Hintergrund, dass das RKI sich am 26. November 2021 sowohl für die einrichtungsbezogene, als auch für die allgemeine Impfpflicht aussprach: „Eine Stellungnahme zur Impflicht wurde erarbeitet. Eine einrichtungsbezogene aber auch allgemeine Impfplicht wird vom RKI als sinnvoll erachtet. (.) Eine einrichtungsbezogene Impfpflicht lässt sich einfacher implementieren als eine allg. Impflicht“.
Interessanterweise sprach sich das RKI einen Monat vorher, am 27. Oktober 2021, in den Krisenstabs-Protokollen noch subtil gegen Zwangsmaßnahmen aus: „Kampagne zur Boosterimpfung ab 10.11. setzt zu spät an, es gibt Überlegungen, Druck/ Zwang auszuüben. (.) Zwangsmaßnahmen in Erwägung zuziehen, weil bestimmte Dinge nicht funktionieren ist bemerkenswert. Der Übergang vom politischen Vakuum zur neuen Regierung gelingt hoffentlich rasch“.
Die neue Regierung entschied sich für Zwangsmaßnahmen. Am 10. Dezember 2021 wurde die einrichtungsbezogene Impfpflicht vom frisch gewählten Bundestag beschlossen und am 11. Dezember trat sie in Kraft. In der Gesetzesbegründung heißt es auf Seite 30: „Die Impfung reduziert das Risiko, (.) SARS-CoV-2 an andere Menschen zu übertragen, substanziell“. Das RKI widersprach der politischen Begründung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht, trotz eigener Erkenntnisse zum fehlenden Fremdschutz.
Erste Zweifel an der Impfpflicht im RKI
Anfang 2022 setzte im RKI angesichts der neuen Omikron-Variante langsam ein Umdenken ein. Bereits am 03. Januar 2022 gab es im Krisenstab eine „Diskussion der Änderungsvorschläge zur Risikobewertung“. Da die Risikobewertung damals auf „sehr hoch“ stand, bedeutete eine Änderung zwangsläufig eine Herabstufung. Wie in der Sitzung deutlich wird, war dem RKI klar, dass die Impfeffektivität gegenüber Omikron dramatisch abgenommen hatte. Zugleich wusste man aber auch bereits, dass Omikron harmloser als die Delta-Variante war: „Hospitalisierungsrisiko Omikron vs. Delta: Omikron um ca 50% geringeres Hospitalisierungsrisiko (.) Case fatality 4x geringer im Vgl. zu Delta (.) VE [Vaccine Efficiency] Schutz vor symptomatische Infektionen für Omikron niedriger als für Delta; dtl. Abfall nach 5-9 WO im Vgl. zu Delta“.
Das RKI wurde zunehmend kritischer bezüglich der Impfpflicht. Mitte Januar wurden deutliche Zweifel laut. Das Sitzungsprotokoll vom 12. Januar 2022 zeigt eindrücklich das Dilemma auf, in dem das RKI sich befand:
„Diskussion zum Thema Impfpflicht
(.) RKI-Position war bisher die Befürwortung einer Impfplicht ab 18 Jahre (ohne weitere Überlegungen Stellungnahme zu Sanktionen), gibt es Gegenargumente? Umsetzung ist kompliziert: Impfregister? Über Meldeämter? Über Krankenkassen? Impfung soll individuellen Schaden abwenden und Krankheitslast im Gesundheitswesen reduzieren, Omikron hat diesbezüglich einiges verändert. Verminderung der Transmission durch Impfung ist bei Omikron gering, die Verhinderung schwerer Verläufe jedoch sehr gut gegeben. Ein angepasster Impfstoff könnte die Wirkung auf die Transmission verbessern. Kontrolle/Sanktionen sind schwierig, Sanktionen sollten locker gehandhabt werden, ggf. ohne zentrale Erfassung. Cosmo-Daten zeigen, dass viele Ungeimpfte sich nicht impfen lassen wollen, diese sollten vor sich selbst beschützt werden. Menschen zu Ihrem eigenen Wohl zu etwas zu zwingen, ist eher paternalistischer Ansatz, besser Empowerment (PH- Grundgedanke)? Impfung kommt für Omikron-Welle zu spät, aber auch danach wird keine Grundimmunität in der Gesamtbevölkerung vorhanden sein. Insgesamt überwiegen die positiven Aspekte der Impfung, Geimpfte sind in jedem Fall besser geschützt als Ungeimpfte. Auch an Long COVID (bzw. die Verhinderung) sollte gedacht werden. Kontrollwesen: „Das Bessere ist der Feind des Guten“ Erwartung an RKI ist: Transparenz bezüglich der Entscheidungsgrundlagen und -kriterien. Das Institut sollte keine Haltung zur Impfung einnehmen, sondern transparent die Grundlagen und mögliche Entscheidungskriterien kommunizieren (Beispiel Pockenschutzimpfung: Möglichkeit der Eradikation durch Impfflicht, allerdings umfänglicher Immunschutz durch Impfung).Wichtige Diskussion, RKI sollte zusätzliche Kriterien und Entscheidungsgrundlagen liefern, Entscheidung wird, sollte die Lage endemisch werden, sehr schwierig.“
Angesichts der Omikron-Variante, die aus Sicht des RKI die lange ersehnte „endemische Phase“ einleitete, gelang es dem RKI immer schlechter, vor sich selbst zu rechtfertigen, warum eine Impfpflicht jetzt noch notwendig sei. Man nahm sich vor, sich im Hinblick auf das Thema Impfpflicht zurückzuhalten. Doch daraus wurde nichts.
Die “AG Impfpflicht”
Trotz eigener fachlicher Bedenken wurde das RKI vom Bundesgesundheitsministerium für die Gesetzesbegründung der allgemeinen Impfpflicht eingespannt, und zwar im Rahmen einer eigens dafür eingerichteten, interministeriellen Arbeitsgruppe namens „AG Impfpflicht“, deren Existenz erst im Februar 2025 durch die RKI-Protokolle ans Tageslicht kam. In der Sitzung vom 04. Februar 2022 heißt es: „Teilnahme an der AG Impflicht mit anderen Ministerien, Zuarbeit zur Gesetzesbegründung der allgemeinen Impfflicht“.
Die Rechtsschreibfehler entsprechen dem Original, daher wurde die Textstelle erst kürzlich in den Protokollen gefunden: Sie waren via Stichwortsuche nicht auffindbar. Auf eine Anfrage der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Jessica Tatti (BSW) hin wurde die Existenz der „AG Impfpflicht“ offiziell seitens des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) bestätigt. Das BMG führte in seiner Antwort an Tatti aus:
“Im Frühjahr 2022 wurden zur Ausgestaltung einer etwaigen allgemeinen Impfpflicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 verschiedene Gruppenanträge aus der Mitte des Deutschen Bundestages beraten. Die Bundesregierung hatte bei der Erarbeitung der Anträge Hilfestellung zugesagt und diese auf entsprechende Bitten einzelner Abgeordneter hin geleistet. Zu diesem Zweck wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet, an der u.a. das Robert Koch-Institut (RKI) beteiligt war. Das RKI hat in diesem Zusammenhang an mehreren Videokonferenzen der Arbeitsgruppe teilgenommen. In der Arbeitsgruppe wurden u.a. Fragen zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 fachlich beraten. Das RKI hat bei der Aufarbeitung der wissenschaftlichen Evidenz unterstützt, die als Grundlage in die verschiedenen Gruppenanträge aufgenommen wurde. Es existieren keine Protokolle zu den Treffen der interministeriellen Arbeitsgruppe.”
Die Bundestagsabgeordnete Jessica Tatti sprach in ihrer öffentlichen Stellungnahme zur Antwort des BMG von einer “Instrumentalisierung des RKI” durch die Bundesregierung, und einer “Doppelrolle” von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach:
„Die Bundesregierung versuchte offenbar im Vorfeld der Bundestagsabstimmung über die allgemeine Impfpflicht gegen Corona am 7. April 2022, das Robert-Koch-Instituts (RKI) zu instrumentalisieren – um die vor allem von Rot-Grün gewollte allgemeine Impfpflicht durchzubringen. (.) SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach wollte selbst unter der milden Omikron-Variante noch die allgemeine Impfpflicht durchsetzen. Bekannt ist seit den RKI-Files auch, dass Lauterbach deshalb im Vorfeld der Bundestagsabstimmung am 7. April 2022 die Herabstufung der Gefahrenlage durch das RKI untersagte. Der Verdacht liegt nahe, dass der impfwütige Minister Lauterbach das RKI auch bei der interministeriellen AG Impfpflicht politisch missbrauchte. Der von ihm favorisierte Antrag im Bundestag sollte ein wissenschaftliches Deckmäntelchen bekommen.”
Seitens des BMG, ergo Karl Lauterbach, wurde eine umfassende Unterstützung des RKI eingefordert. Am 11. Februar 2022 heißt es dazu in den RKI-Protokollen: "Derzeit wird umfangreiche Zuarbeit zum Thema Impfpflicht vom BMG eingefordert".
Bemerkenswerterweise wird in der gleichen Sitzung deutlich, dass das RKI von einer Notwendigkeit von „Zertifikaten“ - also auch Impfzertifikaten – nicht überzeugt war: „Hinweis an die Politik, dass viel Zeit und Energie in die technische und rechtliche Gestaltung von Zertifikaten und in die Ausgestaltung rechtlicher Verordnungen investiert wird, die in absehbarer Zeit nicht mehr notwendig sind“.
Auffällig ist auch, dass in den Sitzungsprotokollen des RKI direkt vor der Abstimmung zur allgemeinen Impfpflicht, am 06. April 2022, kein einziges Wort zur bevorstehenden Abstimmung enthalten ist, obwohl das RKI inhaltlich der Gesetzesbegründung „zugearbeitet“ hatte. Und auch im Sitzungsprotokoll direkt nach der Impfpflicht-Abstimmung am 11. April 2022 fand der Ausgang der Abstimmung keine Erwähnung. Die Impfpflicht war ganz offensichtlich kein Herzensanliegen des RKI, sondern ein Projekt, das ihm seitens des BMG aufoktroyiert worden war. Im RKI bestand an der Impfpflicht anscheinend kein intrinsisches Interesse, man begehrte aber auch nicht dagegen auf.
Im Zusammenhang der Instrumentalisierung des RKI durch das BMG ist auch das Thema Risikobewertung zu erwähnen. Wie im Zuge der Aufarbeitung der RKI-Files als erstes von dem FDP-Politiker Wolfgang Kubicki thematisiert wurde, erfolgte auch die lange nicht erfolgte Herabstufung der Risikobewertung auf Anweisung des BMG. Das RKI wollte die Risikobewertung aus fachlicher Sicht seit Januar 2022 längst herunterstufen. Diese Herabstufung wurde jedoch durch Karl Lauterbach „aus strategischen Gründen“, wie es in den Protokollen heißt, verhindert. Es liegt nahe, dass der Minister das Risiko möglichst auf “sehr hoch” belassen wollte, um sein Herzensprojekt, die allgemeine Impfpflicht, vor dem Bundestag zu legitimieren. Dazu finden sich folgende Zitate in den RKI-Protokollen:
„Risikobewertung: Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist abhängig von der Zustimmung des BMG, voraussichtlich nicht vor der MPK [Ministerpräsidentenkonferenz] am 16.02.2022. Eine Herabstufung vorher würde möglicherweise als Deeskalationssignal interpretiert, daher politisch nicht gewünscht. Inhaltliche Überarbeitung und Diskussion werden auf nächste Woche vertagt.“ (09.02.2022)
„Reduzierung des Risikos von sehr hoch auf hoch wurde vom BMG abgelehnt“ 25.02.2022)
„Diskussion der überarbeiteten Version zur Risikobewertung. In Hinblick auf das BMG sollte die Herabstufung aus strategischen Gründen zunächst auf hoch und nicht moderat erfolgen“ (20.04.2022)
Fazit
Während der Corona-Jahre wurden sowohl die politischen, als auch juristischen Entscheidungen stets mit den fachlichen Einschätzungen des RKI begründet. Das RKI wurde als „Goldstandard“ wissenschaftlicher Praxis dargestellt. Die Einschätzungen des RKI galten als sakrosankt – wer sie hinterfragte, geriet in den Verdacht, „die Wissenschaft“ zu leugnen. Die Analyse der RKI-Protokolle zeigt jedoch auf, dass das RKI bei sämtlichen Dimensionen der Pandemiepolitik - ob Lockdowns, Impfungen, Masken oder Schulschließungen – intern zu Einschätzungen kam, die den Verlautbarungen der Politik widersprachen. Zugleich ignorierte die Politik diese Urteile des RKI weitgehend. Zudem wird aus den Protokollen deutlich, dass das RKI sich oftmals resigniert dem politischen Willen beugte, und politische Entscheidungen nachträglich sogar mit einer Scheinevidenz versah, um ihnen den Anschein der Wissenschaftlichkeit zu verleihen.
Das RKI war intern nicht überzeugt von der sogenannten 2G-Regel, der „indirekten Impfpflicht“. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht wurde vom RKI empfohlen, und die Empfehlung später nicht revidiert - obwohl das RKI bezüglich der Impfeffektivität stets starke Zweifel hatte. Als die allgemeine Impfpflicht auf das politische Tableau kam, war man im RKI im Herbst 2021 zwar noch dafür, änderte jedoch Anfang des Jahres 2022 seine Meinung - vor allem angesichts der neuen Omikron-Variante, die aus Sicht des RKI endlich die langersehnte „endemische Phase“ einleitete. Offenbar gelang es zu diesem Zeitpunkt dem RKI nicht mehr, mit eigenen fachlichen Einschätzungen zu Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach durchzudringen, der sich die Impfpflicht fest in den Kopf gesetzt hatte.
Aus den Protokollen sind Ermüdungserscheinungen herauszulesen: Man widersprach nicht mehr, obwohl man die Sache intern anders sah, sondern arbeitete auf „Anweisung des BMG“ oder nach „Beschluss aus dem Bund-Länder-Gipfel“ nachträglich an der Begründung bereits gefällter politischer Entscheidungen. Mit der „AG Impfpflicht“ ließ sich das RKI vollends politisch vereinnahmen - für ein Vorhaben, das sich mit eigenen, fachlichen Erkenntnissen nicht deckte.
Das Unbehagen des RKI, an paternalistischen und übergriffigen Entscheidungen der Politik mitwirken zu müssen, geht aus den RKI-Protokollen klar hervor. Doch nur intern sein Unwohlsein zu artikulieren, reicht leider nicht aus, wenn es um die Grundrechte von 84 Millionen Bürgern geht. Das RKI war die entscheidende staatliche Behörde, die der politischen Willkür hätte Einhalt gebieten können und müssen. Vermutlich ist es der vielbeschworenen „deutschen Beamtenmentalität“ geschuldet, dass seitens des RKI nach außen hin nicht stärker rebelliert wurde. Das RKI kam seiner Verantwortung für das gesundheitliche Wohlergehen der Bevölkerung in der Corona-Zeit nicht nach. Mit einer einzigen Ausnahme: Dem Whistleblower oder der Whistleblowerin aus dem RKI, dem oder der wir die RKI-Protokolle verdanken.
Die RKI-Protokolle offenbaren eine ungeheuerliche politische Instrumentalisierung “der Wissenschaft”. Diese Erkenntnis ist von zentraler Bedeutung, auch für die Aufarbeitung: Gerichte dürften sich nicht mehr auf das RKI als unabhängigen Sachverständigen berufen, wie sie es während der Corona-Jahre getan hatten. Alle Gerichtsentscheidungen der Corona-Zeit gehören auf den Prüfstand, und auch alle zukünftigen Gerichtsentscheidungen zu epidemiologischen Fragen dürften Einschätzungen des RKI nicht mehr als Einschätzungen eines „unabhängigem Sachverständigen“ heranziehen. Denn wenn das RKI als weisungsgebundene Behörde lediglich die jeweils vom Bundesgesundheitsministerium gewünschte Meinung vertritt, und die Gerichte sich auf die Einschätzungen des RKI als angebliche „Wissenschaft“ berufen, stellt das de facto die Gewaltenteilung und damit unser gesamtes politisches System infrage.
Dieser Text ist Teil eines Buches über die RKI-Protokolle, das bald erscheint.
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Danke, danke, danke! Super Zusammenfassung mit Verlinkungen zu diesem gesamten Drama. Werde ich mir speichern, da ich immer wieder auf Geimpfte treffe, die mir jetzt erzählen wollen, der Lockdown wäre ja nur 2 Wochen gewesen... und war alles halb so wild gewesen.
Ich werte das Ansinnen zur Impfpflicht als versuchten Mord, weil die potentiell tödliche Wirkung bekannt war, zum Zeitpunkt der Abstimmung.
Vielen Dank für diese ausführliche und detaillierte Beschreibung dieser staatlichen Übergriffe auf die Bürger. Alle daran beteiligten Personen sollten ihre Ämter niederlegen und sich ihrer Verantwortung stellen.