Im November 2020 trauten viele aufmerksame Beobachter des Zeitgeschehens ihren Augen kaum, als folgende Schlagzeile in der FAZ erschien: “Querdenker und Reichsbürger: Audienz bei König Peter I.”. Was war vorgefallen? Am 15. November 2020, mitten im Lockdown und unter strengsten Versammlungsverboten, hatte der Querdenken-Gründer Michael Ballweg etwa 80 seiner engsten Mitstreiter ins thüringische Wöhlsdorf bei Saalfeld eingeladen. Dort sollte ein “strategisches Querdenken-Treffen” stattfinden. Um was genau es bei diesem “ganz besonderen Zusammentreffen” gehen sollte, blieb in der Einladungs-Email von Ballweg unerwähnt: Die Teilnehmer des Treffens sollten sich “überraschen lassen”. Zudem sollten sie im Vorfeld unbedingt Stillschweigen über die Veranstaltung bewahren. Das Treffen wurde von einer großangelegten Polizeirazzia beendet und gelangte wenige Tage später prominent in die Medien. Seit diesem Tag gab es an Reichsbürger-Verbindungen von “Querdenken” keinen Zweifel mehr - und der Verfassungsschutz nahm seine Arbeit auf: Zunächst erfolgte die Einstufung als “Verdachtsfall”, dann die Beobachtung durch einzelne Länder, die bundesweite Beobachtung, und schließlich der neue Phänomenbereich “Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates”. Stichwortgeber und maßgeblicher Treiber dieser Entwicklung war - wie schon so oft - niemand anderes als der thüringische Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer.
Von einem Whistleblower, einem Teilnehmer der Veranstaltung, wurde mir nun vier Jahre später ein Audio-Mitschnitt zugespielt, der die ersten zwei Stunden der Veranstaltung dokumentiert, bevor es zur Polizeirazzia kam. Ich veröffentliche den Mitschnitt hiermit zu Dokumentationszwecken, wobei ich mich von den in dem Audio geäußerten Aussagen und den sie vortragenden Personen in aller Deutlichkeit distanziere. Den Organisator des Treffens, Michael Ballweg, und seinen vertrauten Rechtsanwalt Ralf Ludwig habe ich im Vorfeld der Veröffentlichung via Presseanfrage gefragt, was sie heute zu den Vorwürfen bezüglich des Saalfeld-Treffens sagen. Ihre Antworten veröffentliche ich im Rahmen dieser Recherche ebenfalls in Gänze.
Zum Audio-File:
Das Audio-File, das mir von einem Whistleblower von der Veranstaltung zugespielt wurde, hat eine Länge von etwas über zwei Stunden (02:03:45). Ich übernehme keinerlei Gewähr für die Richtigkeit der Untertitelung: Diese ist KI-generiert und nur grob überarbeitet. Aufgrund der lärmenden Geräuschkulisse und dem starkem Dialekt des Hauptredners Peter Fitzek können Fehler enthalten sein.
Ich halte es für relevant, das Audio-File zu veröffentlichen, da das Treffen in Saalfeld zu einem entscheidenden Zeitpunkt stattfand - drei Tage vor der Verabschiedung der Änderung des Infektionsschutzgesetzes am 18.11.2020. Es wurde ausschlaggebend dafür, den Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung in der medialen Darstellung als reichsbürgernah zu framen und zum Verdachtsfall für den Verfassungsschutz zu erklären - was letzterem den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen sämtliche Regierungskritiker des Landes ermöglichte. Wie es zu diesem für viele Menschen verhängnisvollen Treffen kommen konnte, bedarf daher in meinen Augen einer journalistischen Aufarbeitung. Bis Minute Acht des Audio-Files gibt es eine einleitende Rede von Michael Ballweg, danach redet Peter Fitzek. In seiner Rede geht es um die Vorteile einer Mitgliedschaft beim “Königreich Deutschland” für Querdenken-Mitglieder - etwa eine Steuerbefreiung. Es wird deutlich, dass für Fitzek ein finanzielles Interesse bei einer Kooperation mit Querdenken im Vordergrund stand: Er spekulierte, dass er 10 Millionen Euro mithilfe der Querdenken-Bewegung einnehmen könnte, wenn “eine Million” Querdenker jeweils “zehn Euro” an das Königreich spenden würden. Ballweg wiederum betrachtete das Königreich Deutschland laut eigenen Worten in seiner Eröffnungsrede als “Kann-Angebot” (siehe Edit). Es imponierte ihm, dass Peter Fitzek - genau wie Querdenken - “immer den juristischen Weg gegangen” sei.
Auswahl Zitate:
Michael Ballweg:
“So, und ja, dann habe ich mir angeguckt verschiedene Währungen, neue Währungen. Und bin dann unter anderem auch auf den Peter [Fitzek, Anmerkung A.V.] gestoßen. Was mir bei dem Peter gut gefallen hat, er geht eigentlich den gleichen Weg wie ich gegangen bin. Im Sinne von, ich bin ja mal ganz am Anfang aus einer Facebook-Gruppe rausgeflogen, weil die Leute schon gesagt haben, jetzt ist gilt Artikel 20/4 [GG Artikel 20 Abs. 4, Anmerkung A.V.], wir melden nicht mehr an, wir gehen einfach auf die Straße. Ich hab damals gesagt, wir gehen jetzt einfach zum Bundesverfassungsgericht und holen uns das zurück und melden auch die Versammlungen an und machen ganz friedlichen Protest. Und so, habe ich zumindest verstanden, Peter, hast du das auch gemacht, dass du immer den juristischen Weg gegangen bist und darüber schon ganz viele Dinge vorbereitet hast. Von daher, hier ist das so, der Peter firmiert ja unter „Königreich Deutschland“, auch das ist ein “Kann-Angebot” das heißt wir stellen das heute vor. Das ist eine von diesen Möglichkeiten, die es gibt. Wer von euch mitmachen will, ist natürlich herzlich eingeladen.”
Edit 12.01. 19:17 Uhr: Ich wurde darauf hingewiesen, dass es statt “Kampfangebot” - “Kann-Angebot” heißen soll, daher habe ich die Stelle im Text geändert. An dieser Stelle hatten sowohl die Software als auch die Transkripteurin “Kampfangebot” verstanden.Peter Fitzek:
“…die Nazis damals haben versucht, sich von der internationalen Hochfinanz zu lösen, haben Arbeitswertgutscheine ausgegeben. Sozusagen im Prinzip, man könnte sagen, ist die Wirtschaft damals explodiert, eigentlich im Prinzip und so ein Wirtschaftswunder hat man dann hingekriegt.”
“…die BRD führt das Dritte Reich fort”
“Das Grundgesetz ist eine wunderbare Möglichkeit, sich zu verändern. Und so ist es denn so, praktisch, dass ich mir entschieden habe, dass ich eine eigene Verfassung schreiben will.”
“Und ich habe, ich glaube, die letzte Steuererklärung vielleicht vor 15 Jahren abgegeben.”
“Und was es im „Königreich Deutschland“ alles gibt, ist hier mal zusammengefasst. Das heißt also, es gibt also die „Königliche Reichsbank“, werden wir nachher noch näher vorstellen. „Die deutsche Heilfürsorge“, Alternative zur Krankenversicherung. Es gibt die „Deutsche Rente“ als Alternative zur BRD-Rentenversicherung. Es gibt eine Verfassung im „Königreich Deutschland“, die geschrieben wurde, um Artikel 146 Grundgesetz umzusetzen, wo drinsteht, dieses Grundgesetz verliert seine Geltung an dem Tag, an dem die Deutschen in freier Selbstentscheidung eine eigene Verfassung geben. Also habe ich das gemacht, weil die BRD hat es ja nie getan.”
“Und der, wo ihr jetzt hier seid, das ist der Maik [Maik Triemer, Inhaber der “Hacienda Mexicana”, Anmerkung A.V.], der hat eine Firma im ‘Königreich Deutschland’. Dieses Restaurant hat keine Gewerbe-Anmeldung in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist jeden Tag offen, es hat auch keine Corona-Beschränkungen. Die Polizei war hier vor ein paar Tagen, weil ja schon bekannt wurde, dass diese Veranstaltung hier irgendwie durchgesickert bei denen. Und da waren die hier und haben gefragt. Wir haben hier eine Anzeige bekommen, hier gibt es keine Corona-Beschränkungen. Sie haben ein Restaurant auf, wie kann das sein. Alle Restaurants sind zu in Deutschland. Da hat er gesagt, nee, sie sind ein eigener Rechtskreis, sie sind „Königreich Deutschland“. Das Landratsamt weiß Bescheid. Ach so, haben die Polizisten gesagt, und sind wieder gegangen.”
”Die BRD ist ja kein Staat, ist ein Verwaltungskonstrukt einer Firma und führt ja nichts anderes fort als den Willen der Besatzungsmacht ausführen.”
”Das ist ein Reisepass von dem Königreich Deutschland. Das ist mein normaler Reisepass: Den nehme ich, wenn ich diplomatisch nicht unterwegs bin, oder wenn ich mich kontrollieren lassen möchte. Das ist mein Diplomatenpass. Wenn ich den nutze, kann ich von A nach B reisen.”“Wie einfach geht es bei uns mitzumachen: Man füllt einen Kapitalüberlassungsvertrag aus, sendet ihn uns zu einfach dazu, überweist dann einfach Euros beispielsweise auf das Konto, was wir zur Schnittstelle in der BRD haben und bekommt dann diese Kontohefte dann wie früher die Sparbücher der Gemeinwohlkassen der königlichen Reichsbank.”
“Jetzt stellt euch mal vor, nur mal ein Beispiel, Querdenken würde jetzt eine Million Leute auf die Straße bringen und eine Million Leute würden einfach nur 10 Euro einzahlen. Hätten wir 10 Millionen Euro. Dann können wir alles machen, was wir wollen. Wir könnten in jeder Stadt eine Gemeinwohlkasse eröffnen, wir können Kindergärten machen, wir können Schulen machen, alles in unserer Umgebung pflegen. All diese Freiheit, die wir wollen, die können wir gemeinschaftlich erschaffen, durch die Nutzung der Struktur von Königreich Deutschland.” (Applaus)
“Im Königreich Deutschland gibt es keine Pflicht zur Zahlung von Steuern. Das Königreich ist vollkommen steuerfrei. Deswegen muss kein Unternehmer im Königreich eine Steuererklärung abgeben eine Buchhaltung machen, und Quittung ausgeben Das ist sehr befreiend für die meisten Unternehmen. (.) Jetzt haben wir ein freies Unternehmertum im Königreich Deutschland. Freies Unternehmertum beinhaltet Folgendes. Ihr müsst nie wieder eine Steuererklärung abgeben.”
“Veranstaltungsteilnehmer (jemand anderes als Fitzek): “So, jetzt sind wir endlich hier bei meinen guten Freunden, beim Hacienda Mexicana. Hier ganz schön, könnt ihr schon sehen was Phase ist. Nämlich Rechtsordnung Königreich Deutschland nicht Rechtsrahmen der BRD. Das bedeutet, im ganz konkreten Corona-Fall jetzt er kann aufmachen er kann Veranstaltungen machen, er kann Menschen bedienen. Es gibt keine Sitzplatzbeschränkungen, irgendwas. Er hat auch nichts bekommen von der BRD oder vom Gewerbeamt. Die lassen ihn alle in Ruhe. Er kann selber entscheiden, ob er aufmacht, wie lange er aufmacht. ob er Masken und so'n Zeug seinen Gästen vorschreibt oder nicht.”
Fitzek: “Ihr seht also, es geht, genau wie ihr seht, ohne irgendwelche Probleme, ohne irgendwelche Beschränkungen.”
Fun Fact: Als gegen 13 Uhr in der “Hacienda Mexicana” diese Worte Peter Fitzeks fielen, war die Polizei bereits über das Treffen informiert und auf dem Weg zur Hacienda. Wenig später war das gesamte Gelände von zahlreichen Polizeifahrzeugen umstellt. Ab 13.30 Uhr wurde die Razzia durchgeführt und alle Personalien der etwa 80 Teilnehmer aufgenommen. Gegen 18 Uhr war laut einem Bericht der Ostthüringer Zeitung der Polizeieinsatz beendet.
Viele der ehrenamtlich engagierten Querdenken-Mitstreiter staunten nicht schlecht, als sie sich am 15. November 2020 unverhofft im “Wohnzimmer” des selbsternannten “Königs von Deutschland” - der Reichsbürger-Lokalität “Hacienda Mexicana” wiederfanden. Gastgeber der Veranstaltung war neben Michael Ballweg der mehrfach vorbestrafte Peter Fitzek, der sich 2012 von seinen Anhängern zum “König” des von ihm ausgerufenen “Königreich Deutschland” hatte krönen lassen. Die Kneipe “Hacienda Mexicana” gehört zum “Staatsgebiet” des angeblichen Königreichs. Sowohl Peter Fitzek, sein “KRD”, als auch das Restaurant “Hacienda Mexicana” werden vom Verfassungsschutz beobachtet.
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War das wirklich nötig, fragten sich viele Kritiker der Corona-Maßnahmen, als das Event öffentlich bekannt wurde - zumal bereits seit dem “Sturm auf den Reichstag” am 29. August 2020 der Vorwurf im Raum stand, Querdenken würde enge Verbindungen ins rechtsextreme und Reichsbürger-Lager pflegen. Noch am 27. August - zwei Tage vor dem “Sturm auf den Reichstag” - hatte der damalige Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang verlautbart, auf den Querdenken-Demos würden sich zwar auch Rechtsradikale aufhalten, diese würden das Protestgeschehen jedoch nicht maßgeblich bestimmen. Laut Haldenwang seien die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen geprägt von Menschen, "die den unterschiedlichsten Verschwörungstheorien anhängen" - dies sei aber alles im Bereich dessen, "was sich noch auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt". Diese Einschätzung Haldenwangs änderte sich schlagartig nach dem 29.08.2020: Die Zeit zitierte ihn nun mit den Worten, dass die Corona-Proteste "eine starke rechtsextremistische Komponente” aufwiesen: “Rechtsextremisten und Reichsbürgern ist es gelungen, einen Resonanzraum zu besetzen, wirkmächtige Bilder zu erzeugen und so das heterogene Protestgeschehen zu instrumentalisieren".
Über die zahlreichen Ungereimtheiten beim “Sturm auf den Reichstag” habe ich in Form eines Artikels, Dokumentarfilms und Faktenchecks einer ZEIT-Retrospektive berichtet. Michael Ballweg war am Sturm auf den Reichstag zwar nicht beteiligt, hielt aber auf seiner Querdenken-Demo eine im Vorfeld nicht angekündigte “Verfassungsgebende Versammlung” ab, die der Verfassungsschutz ebenfalls als Ablehnung der fdGO und des Grundgesetzes interpretieren konnte - ganz im Sinne der Reichsbürger-Ideologie.
Spätestens nach dem Querdenken-Besuch beim “König von Deutschland” war jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung ein nicht mehr zu leugnender Beweis erbracht, dass die “Querdenken-Bewegung” mit staatsfeindlichen, extremistischen Ideen liebäugelte und die Demokratie ablehnte. Eine Bewegung, die nach außen hin vorgab, für die Wiederherstellung des Grundgesetzes zu sein, war zu Gast bei einem selbsternannten Monarchen, der die Demokratie für “widernatürlich” hält und eine Monarchie befürwortet. Ein gefundenes Fressen für den leitmedialen Mainstream - die FAZ schrieb in ihrem Bericht über das Saalfeld-Treffen:
”Es sei an der Zeit, ‘dass wir uns nach neuen Möglichkeiten und anderen Strategien umsehen’, und man habe ‘einen Lichtblick gefunden’. Dieser Lichtblick sollte anscheinend der vorbestrafte Reichsbürger Peter Fitzek sein. (.)
“Die Behörde hat auch Peter Fitzek schon lange auf dem Schirm und rechnet ihn der Reichsbürgerszene zu. Fitzek, ein ehemaliger Koch, bestreitet, etwas mit Reichsbürgern zu tun zu haben. Aber auf dem Gelände einer früheren Klinik in Wittenberg rief er 2012 einen eigenen Staat aus, das ‘Königreich Deutschland’. Seitdem lässt er sich von Anhängern ‘Seine Königliche Hoheit Peter I.’ nennen. Auf seiner Website ist zu lesen, er wolle das Deutsche Reich ‘wieder handlungsfähig machen’ und in den Grenzen von 1937 ‘wiederherstellen’. Die Bundesrepublik sei hingegen gar kein Staat, sondern ‘nur ein Verwaltungskonstrukt einer Firma’, ein ‘Gebietsverwalter’, und die Demokratie sei ‘wider der Natur, also unnatürlich’, sie könne deshalb ‘keinen dauerhaften Bestand haben’. (.)
“Fitzek gab eigene Währungen aus, gründete die ‘königliche Reichsbank’ und eine Krankenversicherung und legte sich immer wieder mit der Justiz an. Wegen nicht genehmigter Krankenversicherungsgeschäfte und mehrmaligen Fahrens ohne Führerschein wurde er im August 2017 zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.”
FAZ, aktualisiert am 26.11.2020
Aber nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung war das Reichsbürger-Framing der Querdenken-Bewegung nach dem Saalfeld-Treffen in Stein gemeißelt: Auch der Verfassungsschutz hatte nach dem Saalfeld-Treffen das, was er brauchte: Die Legitimationsgrundlage für die Einstufung der Querdenken-Bewegung als “Verdachtsfall”, um Corona-Maßnahmenkritiker fortan mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwachen zu dürfen. Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer berief sich auf das Saalfeld-Treffen, als er am 02.12.2020 gegenüber dem RBB die Einstufung der Querdenken-Bewegung als Verdachtsfall vorschlug. Hellsichtig, wie er war, hatte er bereits am 14.11.2020 - einen Tag vor dem Saalfeld-Treffen - dem Deutschlandfunk mitgeteilt, dass sein Urteil zwar noch nicht abgeschlossen sei, aber es starke Hinweise auf Verbindungen zwischen Reichsbürgern und Querdenkern gebe. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Polizei in Saalfeld bereits seit mehrerenTagen über ein bevorstehendes Treffen in der “Hacienda Mexicana” Bescheid. Hierzu später mehr.
Der baden-württembergische Verfassungsschutz - im Mutterland von “Querdenken 711” aus Stuttgart - verschärfte infolge des Saalfeld-Treffens unmittelbar seine Einschätzung zu Querdenken, wie die FAZ am 26.11. berichtete - allerdings wollte man zu diesem Zeitpunkt die Bewegung vorerst noch nicht beobachten:
”Der baden-württembergische Verfassungsschutz beobachtet die „Querdenker“ zwar weiterhin nicht, aber anders als im Frühjahr kommt das Amt nun zur Einschätzung, dass „unter den Organisatoren der Querdenken-Veranstaltungen wie auch im näheren Umfeld der Initiative“ derzeit „Extremisten“ tätig seien. Anfänglich hatten die Verfassungsschützer nur Unterwanderungsversuche der neuen Bewegung durch bekannte Rechtsextremisten beobachtet.” FAZ, aktualisiert am 26.11.2020
Nur zwei Wochen später war es dann aber schon soweit: Am 09.12.2020 wurde vermeldet, dass das Landesamt Baden-Württemberg nun als erstes Bundesland die Querdenken-Bewegung unter Beobachtung zu stellen würde - weitere Länder wie Bayern, Hamburg und Berlin sollten bald folgen.
Im April 2021 war dem thüringischen Verfassungsschutz-Chef Stephan Kramer die Beobachtung der Querdenken-Bewegung durch einzelne Verfassungsschutz-Landesämter noch zu wenig: Er forderte am 15.04.2021 im ARD-Magazin “Kontraste”, die Querdenken-Bewegung nun auch bundesweit unter Verfassungsschutz-Beobachtung zu stellen.
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Zwei Wochen später, am 28. April 2021, hatte Kramer sein Ziel erreicht: Die Tagesschau berichtete, ab sofort würde die Querdenken-Bewegung, die bislang nur von einigen Verfassungsschutz-Landesämtern beobachtet worden sei, nun auch unter eine bundesweite Beobachtung gestellt. Grund dafür seien unter anderem - Überraschung: “Verbindungen ins Reichsbürger-Lager”. Der Stichwortgeber für die bundesweite Ausweitung der Beobachtung von “Querdenken” im April 2021 war - wie schon bei Erklärung zum Verdachtsfall im Dezember 2020 - erneut der thüringische Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer.
Im Sommer 2021 erfolgte die nächste Eskalationsstufe: Auf einer Bundespressekonferenz am 15.06.2021, wo der Verfassungsschutzbericht 2020 vorgestellt wurde, berichtete der ehemalige Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang im Beisein des damaligen Innenministers Horst Seehofer von der Einführung eines neuen “Sammel-Beobachtungsobjekts” mit dem sperrigen Titel “Demokratiefeindliche und/ oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates”. Dazu erklärte Haldenwang folgendes:
“Die Pandemie hat neue ernstzunehmende Entwicklungen hervorgebracht, wie wir am vielfältigen Protestgeschehen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen der Bundes- und Landesregierung gesehen haben. Das Bundesamt für Verfassungsschutz betrachtet im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages sehr aufmerksam die aktuellen Entwicklungen sowie die zunehmende Radikalisierung einiger Akteure bei diesen Protesten. Äußerungen mancher Versammlungsteilnehmer werden sich in verächtlich machender Weise gegen den Staat und Demokratie gerichtet. [Fehler entspricht dem Original, Anmerkung A.V.] (.) Es wird deutlich, dass hier eine Agenda über die reine Mobilisierung zu Protesten hinausgeht und darauf abzielt, das Vertrauen in staatliche Institutionen und seine Repräsentanten nachhaltig zu beschädigen. Darum hat das BfV auch ein neues bundesweites Sammel-Beobachtungsobjekt eingerichtet, dass sich etwas sperrig ‘Demokratiefeindliche und/ oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates’ nennt.”
Dadurch wurde ein völlig neuer Phänomenbereich aus der Traufe gehoben: Die bundesweite Beobachtung - nun nicht mehr nur speziell der “Querdenken-Bewegung”, sondern potenziell ALLER Corona-Maßnahmenkritiker - völlig unabhängig von einer persönlichen Affiliation mit der Organisation “Querdenken”. Grund sei, dass diese sich “radikalisieren” und “verächtlich über Staat und Demokratie äußern” würden. Ihre Agenda ginge “weit über Mobilisierungszwecke hinaus”. Ballweg, Ludwig und Co. hatten - ob bewusst oder versehentlich - dem Verfassungsschutz mit ihrem Besuch beim “König von Deutschland” genau die Argumentationsgrundlage geliefert, die dieser für die Erschaffung des neuen Phänomenbereichs brauchte. Und dieser berief sich folgerichtigerweise bei der ersten Erklärung zum Verdachtsfall auch genau auf dieses Treffen.
Man könnte nun einwenden: Die Begeisterung Michael Ballwegs für das “Königreich Deutschland” war offenbar organischer Natur - schließlich gingen dem Saalfeld-Treffen am 15.11.2020 mehrere Treffen einer Querdenken-Delegation mit dem “Königreich Deutschland” voraus, wie der Journalist Martin Lejeune berichtete. So hatte Ballweg bereits am 26.10.2020 an einem Seminar von Fitzek in Sankt Englmar teilgenommen. Im Zuge dieses Treffens war er selbst offiziell dem “Königreich Deutschland” beigetreten und hatte ein Bankkonto bei Fitzek eröffnet. Seine eigene Mitgliedschaft und sein Bankkonto beim KRD ließ Ballweg am 15. November 2020 vor seinen Mitstreitern übrigens unerwähnt, wie Martin Lejeune berichtete.
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Eine private Begeisterung für das “Königreich Deutschland” erklärt allerdings nicht, warum Mitstreiter, die sich ehrenamtlich bei Querdenken engagiert hatten, in zwei Einladungsschreiben nicht in Kenntnis gesetzt wurden, zu wem die Reise eigentlich gehen soll. Da das Treffen vom Ballweg als “Überraschung” angekündigt wurde, erhoben einige Teilnehmer im Nachgang schwere Vorwürfe gegen ihn. Im Folgenden sollen die wichtigsten Auffälligkeiten rund um das Saalfeld-Treffen genauer beleuchtet werden.
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1) Diverse Teilnehmer des Saalfeld-Treffens fühlten sich im Nachhinein von Michael Ballweg getäuscht und in eine Falle gelockt
Im Nachgang des Saalfeld-Treffens warfen einige Teilnehmer Ballweg vor, dass sie durch das Verschweigen des Gastgebers des Treffens keine eigenverantwortliche Entscheidung darüber treffen konnten, ob sie sich in die Nähe von Reichsbürgern begeben wollen. Sie seien später vor Freunden und Verwandten unter Rechtfertigungsdruck für ihr ehrenamtliches Engagement in der Querdenken-Bewegung geraten - obwohl sie mit Reichsbürgern nichts am Hut hätten. Zudem widerspräche sich die Idee eines “Königreichs” fundamental mit den Kernforderungen der maßnahmenkritischen Bewegung, die ja im Wesentlichen für eine Rückkehr zum Grundgesetz stand. Mit der Assoziation der “Querdenken-Bewegung” mit einer monarchistischen Bewegung, die die Demokratie ablehnt - wie es auf der Webseite des Königreichs beschrieben ist - hätte Michael Ballweg die maßnahmenkritische Bewegung “verraten”.
Entsprechende Vorwürfe wurden unter anderem unmittelbar nach der Veranstaltung von dem Journalisten Martin Lejeune erhoben, der unfreiwillig Zeuge des Treffens wurde, nachdem er der Einladung von Michael Ballweg gefolgt war. Er hielt seine Eindrücke in einem schriftlichen Bericht und zwei Videoberichten (1|2) fest, später in Form einer Retrospektive mit dem Titel “Ballweg schießt quer”, in dem er auf zahlreiche verdächtige Details hinwies, etwa die Tatsache, dass auf jedem Tisch in der “Hacienda Mexicana” drei verschiedene Verträge für das “Königreich Deutschland” auslagen: “Ein Kapital-Überlassungs-Vertrag an die Königliche Gemeinwohlkasse”, ein “Antrag auf Eröffnung eines ‘E-Mark Kontos’ bei der ‘Königlichen Reichsbank’”, sowie “die Staatszugehörigkeitserklärung für das ‘Königreich Deutschlands’, einschließlich der Bekennung zur Verfassung des ‘Königreiches Deutschlands’”. Außerdem standen laut Lejeune reichlich Stifteboxen zum bequemen Unterschreiben der Anträge auf jedem Tisch in greifbarer Nähe. Lejeune bewertet das Treffen rückblickend wie folgt:
“Das ‘strategische Querdenken-Treffen’ mit Peter Fitzek vom ‘Königreich Deutschland’ am 15.11.2020 war für den Verfassungsschutz der Startschuss zur Beobachtung der Querdenken-Bewegung. Das Treffen von Ballweg und Fitzek war ein Elfmeter für die Dienste, der erfolgreich verwandelt wurde. Das alles geschah nur drei Tage vor der großen Demo am 18.11.2020 gegen § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG). Ballweg und andere prominente Querdenken-Protagonisten waren ausgerechnet auf dieser wichtigen Demo nicht zugegen.”
Aus: Martin Lejeune: “Ballweg schießt quer”, 04.08.2021
Auch der Wirtschaftsprofessor Christian Kreiß von der Hochschule Aalen, der auf einigen Querdenken-Kundgebungen als Redner aufgetreten war und ebenfalls auf das Saalfeld-Treffen eingeladen wurde, nahm vier Tage nach dem Ereignis kein Blatt vor den Mund, um seiner Bestürzung Ausdruck zu verleihen: “Ich bin auf Querdenken hereingefallen.”, schreibt er unverblümt im Onlinemagazin Telepolis. Nunmehr familiäre Gründe hätten ihn davon abgehalten, zu dem Treffen zu fahren - es hätte ihn “durchaus interessiert”. Sein Urteil über die Veranstaltung fiel vernichtend aus:
“Die ganze Art der Email-Einladung, insbesondere nicht auf diese bizarre Figur hinzuweisen, zeigt mir im Nachhinein, dass das alles vollkommen krumm und unehrlich gelaufen ist. Denn bei gesundem Menschenverstand würde wohl kaum jemand, der bei klarem Bewusstsein ist, sich mit dem König von Deutschland treffen wollen, ich jedenfalls nicht. Und sicher auch nicht alle meine Bekannten und Freunde.
Von Seiten Querdenken hieß es mir gegenüber immer, man habe nichts mit Reichsbürgern oder ähnlichen Gruppierungen zu tun. Die Menschen, die ich auf Querdenken-Veranstaltungen getroffen habe, waren alle immer dieser Ansicht. Aber offenbar liefen im Hintergrund andere Bestrebungen, die nicht kommuniziert wurden, jedenfalls nicht mir und auch nicht all den anderen, mit denen ich in Kontakt stehe. Wir sind alle aus den Wolken gefallen.” (.)
Ich muss gestehen: Da bin ich sauber hereingefallen. Querdenken ist für mich jetzt tot. Was Michael Ballweg und die als Mitabsender genannten Damen S. G. und T. F. da veranstalteten, ist für mich ganz übler Betrug an der Sache. Denn die Sache, die (auch) Querdenken lange nach außen vertreten hat, sich gegen die Unverhältnismäßigkeit der Corona-Maßnahmen und die Aushebelung vieler Grundrechte einzusetzen, finde ich nach wie vor richtig. Ein König von Deutschland und Reichsbürger dagegen sind für mich Idiotie.”(.)
Leider habe ich mich über die gute Absicht hinter Querdenken getäuscht. Im Hintergrund liefen oder laufen offenbar ganz andere Bestrebungen. Mit denen wollte ich nie etwas zu tun haben und will es auch künftig nicht.”
Aus: Telepolis. Meine Erfahrungen mit Querdenken, 19.11.2020
Auch bei mir meldete sich 2021 ein Whistleblower, der unfreiwillig Zeuge der Veranstaltung wurde: Der Profi-Musiker André Krengel, der sich monatelang als ehrenamtlicher Künstler auf Querdenken-Bühnen engagiert hatte. Auch er war, genau wie Lejeune, völlig nichtsahnend der Einladung von Ballweg gefolgt, und hatte sich dann unverhofft beim “König von Deutschland” wiedergefunden. Aufgrund eines Konzertauftritts musste er das Treffen vorzeitig verlassen. Dabei entdeckte er zahlreiche Polizeifahrzeuge, die das Gelände zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig umstellt hatten. Daraufhin warnte er einen befreundeten Teilnehmer der Veranstaltung via Messenger. Als sich Krengels Nachricht, dass wohl eine Razzia unmittelbar bevor stand, auf dem Treffen verbreitete, verließen einige Teilnehmer fluchtartig die Veranstaltung - ein anderer Teil blieb sitzen, darunter Michael Ballweg und Ralf Ludwig.
Krengel zögerte ein Jahr lang, das Interview freizugeben, da er nicht als “Nestbeschmutzer” gelten wollte. Im Frühjahr 2022 entschloss er sich dazu. Mir war damals bereits klar, dass der Inhalt brisant ist, da viele Menschen aus der maßnahmenkritischen Bewegung den Führungsfiguren von Querdenken ihr Verhalten nachhaltig übel nahmen. Was ich damals noch nicht ahnen konnte: Auch der Verfassungsschutz interessierte sich für das Saalfeld-Treffen - denn ebenjenes Interview mit einem Querdenken-Aussteiger zur Causa Saalfeld sollte zum Startschuss meiner eigenen Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz werden.
2) Mein Interview mit einem Saalfeld-Zeugen wurde zum Auslöser meiner eigenen Beobachtung durch den Verfassungsschutz
![](https://substackcdn.com/image/fetch/w_1456,c_limit,f_auto,q_auto:good,fl_progressive:steep/https%3A%2F%2Fsubstack-post-media.s3.amazonaws.com%2Fpublic%2Fimages%2Fc12e1e0b-5642-4593-ad33-8517bb2b6ff4_2328x1964.png)
Im Oktober dieses Jahres erfuhr ich, dass mein Interview mit dem Querdenken-Aussteiger André Krengel im Mai 2022 den Ausschlag gab für meine eigene Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Dies wurde deutlich, als ich mithilfe eines Anwalts die Quellen erfragte, auf denen meine Beobachtung beruhte. Im ersten Schreiben an mich erwähnte der Verfassungsschutz zunächst nur “zwei Quellen aus dem Jahr 2022”. Ein Insider aus dem Verfassungsschutz teilte mir daraufhin mit, dass es sich dabei wahrscheinlich um das “Verdachtsmoment” und den “bestätigten Verdacht” handelt. Der Verfassungsschutz brauche diese zwei “verdächtige Quellen” innerhalb eines Monats, um eine Beobachtung starten zu können. Als mir das BfV dann die genauen Quellen mitteilte, traf die Zeitspanne “innerhalb eines Monats” (25. Mai und 12. Juni 2022) genau zu. Die erste der beiden Quellen, demnach das “Verdachtsmoment”, ist mein Saalfeld-Interview mit André Krengel.
![](https://substackcdn.com/image/fetch/w_1456,c_limit,f_auto,q_auto:good,fl_progressive:steep/https%3A%2F%2Fsubstack-post-media.s3.amazonaws.com%2Fpublic%2Fimages%2F2adac7b1-560a-4bab-bda4-f19e549a93be_1554x1590.png)
Einen legitimen Grund dafür, mich infolge eines Interviews, in welchem die Opposition kritisiert wird, unter Verfassungsschutz-Beobachtung zu stellen, gibt es nicht. Der neue Phänomenbereich “Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates” soll Personen ins Visier nehmen, die aus Sicht des Verfassungsschutzes Tendenzen aufweisen, aus denen sich “verfassungswidrige Bestrebungen” entwickelten könnten - das heißt aktive Versuche, die fdGO abzuschaffen. Ein Interview, in dem die Opposition kritisiert wird, gehört ganz sicher nicht dazu. Ganz zu schweigen davon, dass mein Interviewpartner und ich natürlich auch den Staat und die Regierung hätten kritisieren dürfen, ohne dass darauf eine Verfassungsschutz-Beobachtung hätte folgen dürfen. Gegen die mutmaßliche Rechtswidrigkeit der Beobachtung meiner Person durch den Verfassungsschutz gehe ich daher aktuell vor: Eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln ist eingereicht.
3) Der thüringische Verfassungsschutz-Chef Stephan Kramer wusste schon einen Tag vor dem Saalfeld-Treffen über die “engen Reichsbürger-Verbindungen” von Querdenken Bescheid - und auch die thüringische Polizei wusste bereits Tage vorher, dass in der “Hacienda Mexicana” ein Treffen stattfinden wird
Während die Teilnehmer des Saalfeld-Treffens völlig ahnungslos, der Email von Michael Ballweg folgend, in das “ganz besondere Zusammentreffen” mit dem “Kopf der Reichsbürgerbewegung” hineinschlitterten, schien zumindest einer schon bestens im Bilde zu sein: Niemand Geringeres als der thüringische Verfassungsschutz-Chef Stephan Kramer, der aufgrund der brisanten Enthüllungen von Apollo News aktuell wieder in aller Munde ist, verkündete bereits am 14. November 2020 - einen Tag vor dem Saalfeld-Treffen - im Deutschlandfunk, es gebe bei Querdenken “klare Bezüge in den Bereich der Reichsbürger”:
“Aber, wir stellen in den letzten Wochen und Monaten fest, dass hier Reichsbürgergedanken, Rechtsextremisten, Antisemiten und Verschwörungsfantasten unterwegs sind, und das sind sehr wohl Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Die müssen wir uns anschauen, wir müssen auch versuchen, einigermaßen sicher festzustellen, wo geht die Reise hin.”
“In der Zwischenzeit ist es leider auch so, dass die Organisatoren von „Querdenken“, die zwar immer betonen, für die Verfassung einzustehen, gegen Gewalt zu sein, selber mit entsprechenden typischen Formulierungen aus der Reichsbürgerszene und Selbstverwaltermilieu auftauchen, QAnon-Verschwörungsideologie als Veranstalter auch kundtun und im Übrigen selber auch gar keine Hemmungen mehr haben, mit NPD-Leuten, Vertretern der Parteien Die Rechte oder Dritter Weg, also klaren Rechtsextremisten, gemeinsam aufzutreten.”
”Es ist zum Beispiel die Rede davon, dass die gegenwärtige Regierung nur ermächtigt sei. Es geht darum, dass das Grundgesetz zwar geschätzt wird, aber ihm die Verfassungseigenschaft abgesprochen wird, dass das also eine Sache sei, die nur das Volk entscheiden könne. Hier wird haarscharf an der Wasserkante manövriert und argumentiert, aber gleichwohl gibt es klare Bezüge in den Bereich der Reichsbürger und der Milieus. Hier geht es darum, deutlich zu machen, ist das nur ein Versehen oder ist das gezielte Provokation, wie wir sie auch schon aus dem Bereich der Neuen Rechte kennen.”“Ich bin noch nicht mit meinem Ergebnis fertig, aber die Hinweise, die wir jetzt sehen auch bei den Veranstaltungen, zeigen leider in eine deutliche Richtung.”
Quelle: DLF-Interview mit Stephan Kramer, 14.11.2020
Das Datum des Artikels, genau am Vorabend des berüchtigten Saalfeld-Treffens, bei dem selbst die Teilnehmer noch vollkommen ahnungslos waren, lässt aufhorchen. Zumal Kramer sich durch ein proaktives Streuen der Info von “Reichsbürgernähe der Querdenken-Bewegung” im Nachhinein damit profilieren konnte, die Situation richtig eingeschätzt zu haben. Einen Tag später hatte er dann das “Ergebnis”, das ihm für die Einschätzung von Querdenken als Verdachtsfall noch gefehlt hatte.
Auch die Polizei wusste - wie das geleakte Audio-File nun beweist - bereits einige Tage vor dem Saalfeld-Treffen Bescheid, dass dort die nächsten Tage ein Treffen stattfinden sollte. Fitzek prahlte vor den Teilnehmenden der Querdenken-Veranstaltung, dass die Polizei der “Hacienda Mexicana” “vor ein paar Tagen” einen Besuch abgestattet hatte, weil wohl etwas “durchgesickert” sei - aber sie seien schließlich unverrichteter Dinge wieder abgezogen, nachdem der Wirt ihnen erklärt hatte, dass dies ein “eigener Rechtskreis” sei:
“Die Polizei war hier vor ein paar Tagen, weil ja schon bekannt wurde, dass diese Veranstaltung hier irgendwie durchgesickert bei denen. Und da waren die hier und haben gefragt. Wir haben hier eine Anzeige bekommen, hier gibt es keine Corona-Beschränkungen. Sie haben ein Restaurant auf, wie kann das sein. Alle Restaurants sind zu in Deutschland. Da hat er gesagt, nee, sie sind ein eigener Rechtskreis, sie sind „Königreich Deutschland“. Das Landratsamt weiß Bescheid. Ach so, haben die Polizisten gesagt, und sind wieder gegangen.”
4) Der thüringische Verfassungsschutz-Chef Stephan Kramer verwendete das Saalfeld-Treffen als Steilvorlage, um eine Einstufung der Querdenken-Bewegung als “Verdachtsfall” zu fordern. Dies ermöglichte ihm den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen Corona-Maßnahmenkritiker
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Die Antwort des Verfassungsschutzes Thüringen ließ nicht lange auf sich warten: Am 02. Dezember 2020 gab der thüringische Verfassungsschutzchef Stephan Kramer dem RBB Inforadio ein Interview, in dem er die Einstufung der Querdenken-Bewegung als “Verdachtsfall” forderte:
”Die "Querdenken"-Bewegung könnte ein Verdachtsfall für den Verfassungsschutz werden. Nach Aussage von Stephan Kramer, dem Präsidenten des Amtes für Verfassungsschutz in Thüringen, liegen inzwischen "hinreichende Anhaltspunkte" dafür vor. (.) Die Einstufung als Verdachtsfall ermöglicht es dem Verfassungsschutz, nachrichtendienstliche Mittel bei der Beobachtung und Informationsgewinnung einzusetzen. Eine abschließende Bewertung soll im Verbund mit den anderen Landesämtern in Kürze erfolgen. (.)
Nach Aussage von Kramer seien zunehmende Radikalisierungstendenzen bei Organisatoren der "Querdenken"-Demonstrationen zu beobachten. Dazu gehöre auch ein Treffen zwischen Angehörigen der sogenannten Reichsbürgerszene und führenden Organisatoren der "Querdenken"-Bewegung. Nach Einschätzung von Kramer habe es sich dabei um ein Vernetzungstreffen gehandelt, an dem über 100 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet teilgenommen hätten.
Laut Kramer beobachten die Verfassungsschutzämter inzwischen bundesweit, dass "Rechtsextremisten, Reichsbürger, Impfgegner und Verschwörungsphantasten" in der "Querdenken"-Bewegung "das Regiment übernehmen" würden. Kramer spricht von einem "Schulterschluss" zwischen Querdenkern, Corona-Leugnern und Reichbürgern.”
RBB: Querdenken könnte Verdachtsfall für Verfassungsschutz werden, 02.12.2020
Das entscheidende Stichwort, das alle nachfolgenden Verfassungsschutz-Aktivitäten legitimieren sollte, lautete “Schulterschluss” - ein Schulterschluss zwischen einer angeblichen Triade aus “Querdenkern, Corona-Leugnern und Reichsbürgern”. Die Äußerungen des thüringischen Verfassungsschutzpräsidenten Stephan Kramer im RBB wurden am nächsten Tag via dpa-Meldung von zahlreichen Medien weiterverbreitet.
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Damit wurde Saalfeld zur Legitimationsgrundlage einer Verfassungsschutz-Einstufung der Querdenken-Bewegung als “Verdachtsfall” - worauf die Bildung des späteren Phänomenbereichs “Verfassungschutzrelevante Delegitimierung des Staates” folgte.
Was sagen Michael Ballweg und Ralf Ludwig heute zu den Vorwürfen ehemaliger Querdenken-Mitglieder rund um die Causa Saalfeld?
Ich habe Michael Ballweg und Ralf Ludwig eine Presseanfrage zu Saalfeld gestellt, die mir beide beantwortet haben. Die vollständigen Antworten von Michael Ballweg und Ralf Ludwig können als PDF heruntergeladen werden. Die Presseanfrage beim Büro Ballweg gestaltete sich abenteuerlich: In einem fünfschrittigen “Kontaktformular” sollte ich meinen Presseausweis hochladen, bevor das Büro sich bei mir zurückmeldet. Da ich dies nicht einsah, und zudem das Textfeld viel zu klein für meine Presseanfrage war, ließ ich mir über Bekannte eine Email-Adresse mitteilen, über die man Ballweg direkt erreicht. Zuerst meldete sich die Sekretärin des Büros zurück: Meine Anfrage sei nicht auf dem richtigen Weg eingetroffen. Damit diese ordnungsgemäß bearbeitet werden könne, solle ich bitte noch über das Kontaktformular meinen Presseausweis hochladen - ersatzweise könne ich auch ein Foto von mir hochladen. Ich erklärte Ballwegs Sekretärin daraufhin, dass ich zwar über einen Presseausweis verfüge, dieser aber keine Bedingung für eine Pressetätigkeit darstellt. Dem Büro Ballweg würde ich daher weder einen Presseausweis, noch ein Foto von mir schulden. Meine Anfrage sei ein Angebot der Stellungnahme an Ballweg. Nachdem ich dies erklärt hatte, erhielt ich eine Antwort von Ballweg - ohne weitere Bedingungen.
Auf meine Frage, wie der Erstkontakt zum “Königreich Deutschland” zustande kam, antwortete Ballweg, dass er im Nachgang der Demonstration vom 01.08. oder 29.08. durch “ein Team-Mitglied” darauf aufmerksam gemacht wurde. Auf meine Frage, was er sich von einer “Kooperation” zwischen Querdenken und dem Königreich Deutschland erhofft hatte, antwortete er, dass es zu keinem Zeitpunkt eine “Kooperation” gegeben hätte. Dies wurde auch von dem Rechtsanwalt Ralf Ludwig bestätigt, der laut eigener Aussage “einen Großteil der rechtlichen Betreuung von Querdenken übernommen” hat.
Dass Fitzek vom Verfassungsschutz beobachtet wird, war Ballweg bekannt, stellte für ihn jedoch kein Ausschlusskriterium für ein Treffen bei Fitzek dar - schließlich würde auch ich (die Verfasserin dieses Textes) vom Verfassungsschutz beobachtet und er rede mit mir. Offenbar scheint es Ballweg nicht aufzufallen, dass es einen qualitativen Unterschied darstellt, mit einer Person zu reden, oder 60 Menschen zu einer Person einzuladen, ohne zu verraten, zu wem die Reise geht.
Ralf Ludwig behauptet nun, im Vorfeld des Saalfeld-Treffens nicht gewusst zu haben, dass Peter Fitzek daran teilnehmen würde, und die Kneipe “Hacienda Mexicana” Teil des “Königreich Deutschlands” sei. Er hätte vor Ort “nichts Auffälliges bemerkt, wie etwa Schilder oder offensichtliche Informationen, die darauf hinweisen”, dass er sich “nach deren Auffassung im KRD befunden hätte”. Das erscheint seltsam - denn am Eingang der "Hacienda Mexicana" ist laut einem lokalen Medienbericht ein Schild mit folgender Aufschrift angebracht, dessen Existenz von mehreren Teilnehmern des Treffens bestätigt wurde:
"Kein öffentlicher Gastronomiebetrieb. Zutritt nur für Staatsangehörige und Zugehörige des Königreiches Deutschland. Mit dem Betreten der Räumlichkeiten sind Sie temporär Staatszugehöriger des Königreiches Deutschland und damit einverstanden. Es entstehen keine weiteren Rechte und Pflichten."
Auch, dass die “Hacienda Mexicana” wenige Tage vor dem Saalfeld-Treffen Besuch von der Polizei erhalten hatte, die sich nach einem bevorstehenden Treffen erkundigte, war Ludwig und Ballweg eigenen Aussagen nach im Vorfeld der Veranstaltung nicht bekannt.
Auf meine Frage hin, warum in der Einladungsemail von einem einem „ganz besonderen Zusammentreffen“ die Rede war, das sogar im eigenen Umfeld vertraulich bleiben sollte, und von dem sich die Teilnehmer „überraschen lassen“ sollten, verwiesen sowohl Ballweg als auch Ludwig auf eine Querdenken-Aktion namens “Solid-Facts” an Schulen, die im Vorfeld der Presse zugespielt worden sei. Ralf Ludwig führte aus, dass aufgrund dieser Erfahrung der Hinweis gegeben wurde, in Zukunft per E-Mail vertraulicher zu kommunizieren. Er hätte “die Art der E-Mail etwas merkwürdig” gefunden, sei “aber zu diesem Zeitpunkt auf der Corona-Infotour” gewesen und hätte sich “deshalb darüber wenig Gedanken gemacht”. Ballweg erklärte:
“Aufgrund der klaren Kenntnis, dass die Vertraulichkeit via E-Mail und über unsere bestehende Verteiler nicht gewährleistet ist, haben wir entschieden, den Treffpunkt erst sehr kurzfristig bekannt zu geben. Zum Zeitpunkt der Einladung zum Treffen in Saalfeld befand ich mich in einer dringend benötigten Auszeit in Thüringen nach den Großdemonstrationen in Berlin und Leipzig. Die Einladung wurde nicht mit mir abgestimmt und wäre in dieser Form von mir nicht versendet worden.”
Auf meine Frage, was Ballweg und Ludwig zu Vorwürfen von Teilnehmern des Treffens sagten, die sich im Nachhinein durch das Verschweigen des Gastgebers getäuscht fühlten, antwortete Ballweg, Querdenken stehe für Miteinander reden und nicht übereinander. Er persönlich habe keine E-Mail oder Anrufe mit dem genannten Inhalt erhalten. Wenn hier Gesprächsbedarf bestünde, sei er gerne zu persönlichen Gesprächen bereit. Zudem verwies er auf ein aktuelles Gespräch, in dem er noch mal ausgeführt hätte, wofür Querdenken stehe und warum sie das Prinzip der Kontaktschuld ablehnten.
Ralf Ludwig antwortete, er kenne die Vorwürfe, und könne “die Gefühle der Menschen und die daraus resultierende Kritik verstehen”. “Das Treffen in Saalfeld und insbesondere die konspirative Art der E-Mail” hätten “einige der Eingeladenen und Teilnehmer verunsichert”. Dabei müsse man in seinen Augen aber “bedenken, dass Michael Ballweg von Beginn an gesagt hat, dass Querdenken eine demokratische Bewegung ist, die auf den Grundrechten des Grundgesetzes aufbaut und als solche weder Kontaktschuld kennt, noch Meinungen oder Personen mit ihren Auffassungen ausschließt”. Er führte aus:
“Der Schmerz entsteht ja nicht deshalb, weil dort mit Peter Fitzek eine gesellschaftliche Randfigur auftaucht, sondern weil diejenigen, die anwesend sind, die sozialen Konsequenzen fürchten, die daraus entstehen. Die "Lessons learned" daraus sollten sein, dass die Einladenden keine Angst haben sollten, zu benennen, was die Eingeladenen erwartet, und die Eingeladenen sich bewusst sein müssen, dass sie mit der Teilnahme zugleich mit dem Bekenntnis für einen echten demokratischen Debattenraum den zugelassenen Raum des Mainstreams verlassen – mit allen daraus folgenden Konsequenzen. Es ist die Wahl zwischen roter und blauer Pille in der Matrix.”
Dass das Saalfeld-Treffen eine Steilvorlage für die Verfassungsschutz-Beobachtung von Querdenken und den darauf aufbauenden Phänomenbereich “Delegitimierung” darstellt, wird sowohl von Ballweg als auch von Ludwig bestritten. Laut Ballweg wurden die Querdenken-Demos schon seit Mai 2020 von den Leitmedien mit Begriffen wie "verschwörungstheoretisch", "Pegida-Anhänger", "rechts", "Reichsbürger", "Aluhutträger" geframt. Meine Nachfrage per Email, warum man einen solchen medialen Stempel dann noch selbst aktiv bestätigt, indem man sich aktiv in einen “Reichsbürger-Hotspot” begibt, blieb von Ballweg unbeantwortet. Stattdessen widersprach er der Einschätzung, dass es sich um einen “Reichsbürger-Hotspot” handelte:
“Der Begriff "Reichsbürger-Hotspot" ist eine Wertung, die ich nicht teile. Für mich war die Hacienda in erster Linie ein Ort, der bereit war, während der Lockdown-Maßnahmen Menschen einen Raum für Austausch und Veranstaltungen zu bieten – etwas, das aus meiner Sicht dringend notwendig war, um grundrechtswidrigen staatlichen Eingriffen entgegenzutreten. Wären mehr Gastronomen diesem Beispiel gefolgt, hätte sich die Suche nach solchen Veranstaltungsorten gar nicht erst gestellt.
Ich halte es für problematisch, auf Grundlage von "Kontaktschuld" Personen oder Initiativen zu bewerten. Wenn der Vorwurf lautet, dass ich Peter Fitzek getroffen oder Veranstaltungen in Räumen abgehalten hat, die dem "Königreich Deutschland" zugeordnet werden, halte ich diese Kritik für das Gegenteil eines offenen demokratischen Debattenraums – ein Diskurs, den QUERDENKEN-711 von Anfang an gefördert hat. Die entscheidende Frage sollte doch sein, warum bis ins Jahr 2024 hinein die Vorstellung existiert, dass ein demokratischer Austausch eine "Falle" sein könnte. Diese Haltung erinnert an die sogenannte "Brandmauer", die es aus meiner Sicht zu überwinden gilt.”
Auch laut Ludwig sei “das Königreich Deutschland (.) keine klassische Organisation aus der Reichsbürger-Szene”, sondern “der Versuch, Möglichkeiten des Völkerrechts zu nutzen, um eine eigene Organisationsform zu begründen”. Er glaube nicht, dass das Treffen in Saalfeld zur Beobachtung von Querdenken geführt habe, sondern dass man nach einer Möglichkeit gesucht habe, die Demokratiebewegung Querdenken zu diskreditieren. Dass der “sogenannte Mainstream” das Thema Saalfeld-Treffen in der Form aufgenommen habe, wie geschehen, sei zu erwarten gewesen. Kritischer sähe er, dass in der maßnahmenkritischen Bewegung einige Protagonisten das Treffen “dazu genutzt haben, die Bewegung zu spalten und versucht haben, die Kritik an Michael Ballweg und Querdenken zum eigenen Vorteil zu nutzen”. Er führt hierzu aus:
”In einer kritischen Bewegung, die auch immer das bestehende politische System in Frage stellt und weitergehende Veränderungen als nur die Rücknahme der Corona- Maßnahmen fordert, ist es unumgänglich, dass auch Personen zusammentreffen, die in der öffentlichen oder veröffentlichten Meinung als ausgeschlossen gelten. Ich glaube, dass das Saalfeld-Treffen retrospektiv die Rolle von Querdenken und Michael Ballweg gestärkt hat, weil er einerseits Fehler in der Transparenz im Umgang mit Mitstreitern zugegeben hat, andererseits aber dem Druck, sich nur in einem "erlaubten" Debattenraum zu bewegen, standgehalten hat. Wenn man das Angebot eines Debattenraums, für das Querdenken steht, mit den aktuellen Hausdurchsuchungen von unbescholtenen Bürgern wegen Äußerungen über Politiker ins Verhältnis setzt, dann zeigt sich, dass es unterschiedliche Freiheitsbegriffe gibt, die im gesellschaftlichen Diskurs Bedeutung haben. Saalfeld hat gezeigt, dass der Debattenraum nicht heimlich angeboten werden darf, sondern mit der stolzgeschwellten Brust einer demokratischen Kultur offen angeboten werden sollte.”
Interessant waren auch die Antworten von Ballweg und Ludwig auf meine Frage, ob es im Nachgang der Polizeirazzia in Saalfald eine Verhängung von Bußgeldern oder Anzeigen gegeben hätte. Sowohl Ballweg als auch Ludwig ist kein einziges verhängtes Bußgeld bekannt. Diese Aussage wird auch von anderen Teilnehmern des Treffens bestätigt. Ballweg fand dies laut eigenen Aussagen “sonderbar”, weil er auf sonstigen Querdenken-Demos “eine Unzahl von OWIS” (Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten, Anmerkung A.V.) erhalten hätte. Es stellt sich aufbauend auf die ausbleibende Verhängung von Bußgeldern im Nachgang der Razzia die Frage, welchem Zweck die Polizeirazzia eigentlich diente, und warum man trotz des “Verstoßes gegen die Thüringer Infektionsschutzverordnung” hier auf Ordnungswidrigkeits-Verfahren und Bußgelder verzichtete. Ist es möglich, dass sich unter den Teilnehmern des Treffens auch inoffizielle Mitarbeiter des Verfassungsschutzes - sogenannte “V-Leute” - befanden, und man auf Bußgelder verzichtete, weil ein Teil der Teilnehmer “dienstlich” vor Ort war?
Auf meine Frage hin, ob es im Nachgang zum Saalfeld-Treffen noch eine Kooperation zwischen Querdenken und dem „Königreich Deutschland gegeben hätte - etwa in Form von Bankkonten beim Königreich Deutschland, antwortete Ballweg, er habe “testweise einen kleinen Betrag von 20 oder 40 EUR auf ein Konto der KRD-Bank überwiesen”. Dieses "Guthaben" sei aber von der BAFIN beschlagnahmt worden. Damit sei der Test fehlgeschlagen und das Versprechen von Peter Fitzek, dass die Bank sicher sei, habe sich nicht bestätigt. Weitere Aktivitäten hätte es nicht gegeben.
Ludwig antwortete auf diese Frage, derartiges sei ihm nicht bekannt, und er könne es sich auch nicht vorstellen, da “das Konzept des Königreichs letztlich nicht mit den Werten des Manifests von Querdenken vereinbar” sei. Eine echte Demokratie kenne keinen Monarchen, so Ludwig. Die vollständigen Antworten von Ballweg und Ludwig auf meine Presseanfrage stelle ich hier als Volltext-PDF zur Verfügung - einer Veröffentlichung haben beide zugestimmt.
Fazit: Das Saalfeld-Treffen legte den Grundstein für den Phänomenbereich “Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates”
Das Audio-File, das mir von einem Whistleblowern zugespielt wurde, bietet einen Einblick in die wirre Vorstellungswelt der Reichsbürger - und die Vorteile, die sich Peter Fitzek von einer Kooperation mit “Querdenken” erhoffte: Er träumte von Geldspenden der Querdenker an das Königreich in Höhe von 10 Millionen Euro. Was Michael Ballweg antrieb, in einem entscheidenden Moment mit der Spitze seiner Organisation ohne deren Wissen ausgerechnet einen Ort aufzusuchen, der die Bewegung in der medialen Darstellung irreversibel mit Reichsbürgern framen und eine Beobachtung durch den Verfassungschutz legitimieren sollte, bleibt bis heute unklar. Ballweg hat auch bis heute nicht öffentlich um Entschuldigung gebeten, Teilnehmer des Treffens ohne deren Wissen in eine für sie kompromittierende Situation gebracht zu haben, für die diese sich vor Freunden und Verwandten rechtfertigen mussten - und Teilnehmern der Querdenken-Demos den medialen Stempel “Reichsbürger” aufgedrückt zu haben.
Ralf Ludwig behauptet heute, dass das Saalfeld-Treffen Ballwegs Rolle innerhalb der maßnahmenkritischen Bewegung sogar noch “gestärkt” hätte, da dieser “einerseits Fehler in der Transparenz im Umgang mit Mitstreitern zugegeben hat, andererseits aber dem Druck, sich nur in einem ‘erlaubten’ Debattenraum zu bewegen, standgehalten hat”. In eine ähnliche Richtung gehen auch die Worte, mit denen Ballweg die Saalfeld-Aktion in einem Interview mit der Journalistin Jasmin Kosubek im Frühjahr 2023 gerechtfertigt hatte.
Unabhängig davon, ob es von den Veranstaltern des Saalfeld-Events so beabsichtigt worden war, oder nicht: Mit dem Treffen von Querdenken beim “König von Deutschland” wurde der Startschuss für eine bundesweite Verfassungsschutz-Beobachtung von allen Regierungskritikern gelegt - da unter den von Ballweg eingeführten Begriff “Querdenker” sämtliche Kritiker der staatlichen Corona-Maßnahmen subsumiert wurden - unabhängig davon, ob diese etwas mit Michael Ballwegs “Querdenken-Bewegung” zu tun hatten, oder nicht. Mit dem Besuch von Querdenken beim Reichsbürger Peter Fitzek, wurde die semantische Verbindung von “Maßnahmenkritikern” und “Reichsbürgern” geschaffen. Damit war in der medialen Darstellung der Beweis erbracht, dass all jene Menschen auf der Straße, die behaupteten, die Demokratie zu verteidigen, diese in Wahrheit ablehnten, und wirre Extremisten unterstützen, die von einer Wiederkehr des “Deutschen Reiches” träumten und die Monarchie als überlegene Staatsform betrachteten. Einen leichter zu bekämpfenden Gegner hätte man sich nicht erschaffen können.
Damit war sowohl massenmedial, als auch juristisch die Argumentationsgrundlage für den neuen Phänomenbereich “Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates” gelegt. Dies wird deutlich aus der Chronologie der Verfassungsschutz-Äußerungen vom Saalfeld-Treffen bis zur Einführung des neuen Phänomenbereichs. Das Saalfeld-Treffen war, was der Verfassungsschutz brauchte, um Regierungskritiker unter Generalbeobachtung stellen zu können. Die treibende Kraft hinter der Einführung des Phänomenbereichs war der thüringische Verfassungsschutz-Chef Stephan Kramer, der jeweils die Stichworte lieferte, die zunächst von anderen Bundesländern, und schließlich auf Bundesebene übernommen wurden. Von ihm ging die erste Einstufung der “Querdenken-Bewegung” als “Verdachtsfall” aus, der dem Verfassungsschutz den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegenüber jedem Regierungskritiker ermöglichte, der formal der “Querdenken-Bewegung” zugeordnet wurde.
Dass ich selbst unter Verfassungsschutz-Beobachtung gefallen bin, ab dem Moment, wo ich kritisch über das Saalfeld-Treffen berichtet habe, das zur Grundlage des Phänomenbereichs wurde, ist nur die Kirsche auf der Sahnetorte.
Mit der Veröffentlichung des mir zugespielten Audio-Files und der Darstellung aller Auffälligkeiten rund um dieses Treffen möchte ich zu einer Aufarbeitung der Einführung des neuen Phänomenbereichs “Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates” beitragen. Eine abschließende Bewertung der hier dargestellten Fakten und der Rolle der Protagonisten überlasse ich dem Leser.
Meine journalistische Arbeit ist unabhängig und wird ausschließlich von meinen Lesern finanziert. Ich bedanke mich herzlich für die Unterstützung!
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