In eigener Sache: Ich werde vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet
Journalisten als Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes? Ist regierungskritischer Journalismus neuerdings „Delegitimierung des Staates“?
Seit gestern ist es amtlich: Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet mich – oder besser gesagt, beobachtet meine journalistischen Tätigkeiten. Dies erfuhr ich aus einer Anfrage, die ich am 27. Februar an drei deutsche Nachrichtendienste stellte, die ich im Verdacht hatte, heimlich Daten über mich zu sammeln: Den Bundesnachrichtendienst, den Berliner Verfassungsschutz, sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz. Von den beiden erstgenannten erhielt ich Negativbescheide - von letzterem gestern einen „positiven“ Bescheid: Ja, zu meiner Person seien beim Bundesamt für Verfassungsschutz Daten gespeichert: Insgesamt tauche mein Name in 815 Dokumenten in der Verfassungsschutz-internen Datenbank auf.
Neben grundlegenden Daten zu meiner Person seien in der Datenbank des Verfassungsschutzes vor allem „Informationen aus dem Jahr 2022“ gespeichert , insbesondere einer meiner „öffentlichen Postings“ sowie einer meiner „veröffentlichen Artikel“. Die Daten seien im Rahmen des Phänomenbereichs „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ für die befristete Dauer von zwei Jahren erhoben worden – und würden fristgerecht am 24. Mai 2024 diesen Jahres gelöscht werden – sofern ich dagegen keinen Widerspruch einlege. Welch ein Zufall, dass die über mich gesammelten Daten beim Verfassungsschutz just in dem Moment für immer verschwinden sollten, in dem ich nach ihnen frage.
Besonders aussagekräftig gestaltete sich bereits der Auskunftsprozess bei den drei Behörden BND, Berliner Verfassungsschutz und Bundesamt für Verfassungsschutz, denn auf ein und die gleiche Anfrage – werden bei Ihnen in der Behörde Daten über mich gespeichert – erhielt ich jeweils drei vollkommen unterschiedliche Antworten. Meine Anfrage hatte ich mithilfe eines Online-Formulars der NGO „FragdenDienst“ gestellt. Für jedes Auskunftsgesuch muss ein spezieller Grund angegeben werden, weshalb man meint, möglicherweise beobachtet zu werden. Bei „FragdenDienst“ übernimmt praktischerweise gleich ein für Journalisten vorperforiertes Formular die Aufgabe, einen konkreten Beobachtungsgrund anzugeben: Verwiesen wird auf den Fall der linken Journalistin Andrea Röpke, die aufgrund ihrer journalistischen Berichterstattung im linksautonomen Milieu viele Jahre lang rechtswidrig seitens des Bundesamts für Verfassungsschutz beobachtet wurde. Der Fall Röpke dient als Präzedenzfall für illegale Beobachtungsaktivitäten von legalem Journalismus - das Service-Portal „FragdenDienst“ ruft daher auch gezielt Journalisten dazu auf, häufiger von ihrem Auskunftsrecht beim Verfassungsschutz Gebrauch zu machen, um den Druck auf die Behörde zu erhöhen.
Auf meine Anfrage hin antwortete der Bundesnachrichtendienst am 18. März, meine Anfrage entspreche den formalen Vorgaben, und man könne mir mitteilen, dass beim BND keine Daten über mich gespeichert seien.
Der Berliner Verfassungsschutz teilte mir zunächst am 07. März mit, mein Antrag sei formal korrekt, leider würde aber “wegen der Vielzahl der vorliegenden Anträge” “die Bearbeitung noch einige Zeit in Anspruch nehmen” - man würde sich unaufgefordert wieder melden. Am 13. Mai erhielt ich tatsächlich ohne weitere Aufforderung das Antwortschreiben der Behörde: Man könne mir mitteilen, dass beim Berliner Verfassungsschutz keine Daten über mich gesammelt seien. Dies erschien mir auch sofort plausibel, zumal ich in Berlin niemals eine Demo angemeldet hatte, oder bei sonstigen politischen Aktivitäten öffentlich in Erscheinung getreten war.
Gänzlich anders gestaltete sich die Kommunikation mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz: Im ersten Antwortschreiben vom 07. März wurde mir mitgeteilt, leider hätte ich keinen legitimen Grund für ein Auskunftgesuch angegeben – ich müsse hier schon einen konkreten, auf mich bezogenen Grund angeben, der mich eine Beobachtung annehmen lässt. Der Hinweis auf meine journalistische Tätigkeit allein, oder der Umstand, dass über eine andere Journalistin rechtswidrig Daten gesammelt worden seien, reiche nicht aus. Ein “konkreter Sachverhalt”, den man beispielsweise gelten lassen würde, sei etwa „die Teilnahme an einer bestimmten Demonstration”.
Praktisch: Wenn sich eine Person, die bereits unter Verfassungsschutz-Beobachtung steht, beim Bundesamt für Verfassungsschutz meldet, ist die Angabe konkreter eigener Vermutungen, warum man glaubt, beobachtet zu werden, natürlich eine hervorragende weitere Datenquelle: Auf welchen Demos und politischen Veranstaltungen, von denen wir möglicherweise noch gar nichts wissen, war das Beobachtungsobjekt noch?
Auf Grundlage dieser Überlegung führte ich in meinem Antwortschreiben keine besonders detaillierten Informationen zu meiner Person an, sondern verwies lediglich darauf, dass ich mich im Rahmen meiner journalistischen Tätigkeit die letzten drei Jahre kritisch mit der Corona-Politik der Bundesregierung auseinandergesetzt hätte. Zudem führte ich aus, dass aufgrund zweier verfassungsschutzrechtlicher Neuerungen der letzten Jahre eine solche Tätigkeit bereits potenziell für eine Beobachtung prädestinieren könne: Zum einen die Änderung des „Bundesverfassungsschutzgesetzes“ vom Juni 2021, das es seither erlaubt, auch Einzelpersonen zu beobachten – vorher war nur eine Beobachtung von ganzen Gruppen möglich. Zum anderen verwies ich auf den ebenfalls im Jahr 2021 eingeführten, neuen Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“, der so vage formuliert ist, dass es denkbar ist, dass auch legitime, journalistische Kritik an der Regierung seitens der Behörde bereits als „staatsdelegitimierend“ gewertet werden könne. Kurz: Ich spielte in meiner Argumentation den Ball zur Behörde zurück – statt mehr als notwendige, weitere Informationen zu meiner Person zu liefern. Ich verwies auch darauf, dass die beiden anderen Nachrichtendienste, an die ich einen gleichlautenden Antrag gestellt hatte, diesen reibungslos hatten gelten lassen.
Diesen Auskunftsantrag akzeptierte die Behörde schlussendlich als zulässig – und rückte nun mit der Information heraus, dass ich tatsächlich unter Verfassungsschutz-Beobachtung stehe - bzw. im Jahr 2022 unter Beobachtung stand.
Neben der durchaus bedenklichen Tatsache, dass offenbar ein journalistischer Artikel den Anlass zu meiner Beobachtung durch den deutschen Inlandsgeheimdienst gegeben hatte, beeindruckte mich auch die stolze Zahl von 815 Einträgen zu meinem Auskunftsgesuchs in der elektronischen Datenbank der Behörde. Im Schreiben wurde jedoch ein einschränkender Disclaimer eingeschoben – vermutlich, um die relativ hoch klingende Zahl etwas zu relativieren. Bei den „815 Einträgen“, die auf Grundlage meines „sehr umfangreichen“ Auskunftsgesuches in der Datenbank auftauchten, handele es sich
„zunächst lediglich um solche Dokumente, in denen Buchstabenfolgen genannt werden (gegebenenfalls auch mehrfach), die Ihrem Namen entsprechen. Das elektronische Aktensystem kann allerdings nicht feststellen, ob es sich jeweils um einen Personennamen handelt und ob überhaupt Identität mit Ihrer Person besteht. Dabei kann die Trefferliste auch Dokumente enthalten, die eine andere Person mit identischem Namen betreffen.“
Da alle meine journalistischen Tätigkeiten ausschließlich unter meinem Pseudonym “Aya Velázquez” stattfinden, ist davon auszugehen, dass für die Sucheingabe im elektronischen Aktensystem mein öffentliches Pseudonym, nicht mein Klarname verwendet wurde. Wie viele andere „Aya Velázquez“ - mit exotischem Vor- und Nachnamen - mag es wohl in Deutschland in einem Tätigkeitsbereich geben, der für das Bundesamt für Verfassungsschutz von Interesse ist?
Eine Prüfung, ob es sich bei den Fundstellen tatsächlich um Treffer genau zu meiner Person handele, sei aber leider nicht möglich, teilte die Behörde weiter mit. Da die Einzeldokumente teilweise sehr hohe Seitenzahlen aufwiesen und die entsprechende Textstelle erst mühsam manuell herausgesucht werden müsse, sei ein solcher Arbeitsaufwand unverhältnismäßig. Eine weitergehende Auskunft über die über mich in der Behörde gesammelten Daten käme daher nicht in Betracht.
Dies klingt nach einer faulen Ausrede: Die Beobachtungsaktivitäten im Hinblick auf meine Person scheinen allem Anschein nach sehr wohl in einer persönlichen „Akte“ gebündelt zu sein, in der konkrete Dokumente zu meiner journalistischen Tätigkeit gesammelt sind. Anders wäre ein Verweis auf “Informationen aus 2022”, „insbesondere ein Posting“ und „ein Artikel im Jahr 2022“ wohl kaum möglich gewesen. Um welches Posting und um welchen Artikel es sich dabei handelt, könnte man mir selbstverständlich auch jetzt schon mitteilen. Der Arbeitsaufwand, zwei konkrete Quellen zu benennen, dürfte einer finanziell gut aufgestellten Behörde wie dem Bundesamt für Verfassungsschutz durchaus zumutbar sein.
Im Nachgang des Schreibens interessierte mich natürlich, welcher meiner Artikel aus dem Jahr 2022 so staatsdelegitimierend gewesen sein könnte, dass er den Anlass für eine Verfassungschutz-Beobachtung geliefert haben könnte. Ich habe mir daher noch einmal angeschaut, was ich im Jahr 2022 alles Schlimmes geschrieben habe:
Im Februar 2022 schrieb ich „Die Causa Kupferzell – Herausgabe der Rohdaten abgelehnt“ - ein Bericht über eine Antikörperstudie des Robert-Koch-Instituts namens „Corona Monitoring lokal“, deren Ergebnisse auch ein Jahr nach ihrer vollmundigen Ankündigung immer noch nicht auf der Webseite des RKI erschienen waren. Im April 2022 erschien mein Bericht mit dem Titel “Das Disziplinarverfahren” über die Gerichtsverhandlung des ehemaligen BMI-Oberregierungsrats Stephan Kohn, der sich für sein eigenverantwortlich abgeschicktes „Fehlalarm-Papier“ verantworten musste. Ebenfalls im April 2022 verfasste ich den kritischen Essay „Deutschland, warum?“, ein Manifest gegen die Maskenpflicht für Kinder an deutschen Schulen aus der Sicht einer Mutter. Im Mai 2022 erschien „Die Saalfeld-Falle“, ein Interview mit einem Querdenken-Aussteiger, der gegen Michael Ballweg auspackte, und ihm einen Täuschungsversuch seiner Mitstreiter vorwarf. Im Juni 2022 folgte „Freiwillig“ - ein Bericht über die Situation an deutschen Schulen im Sommer 2022, wo noch über das Ende der gesetzlichen Maskenpflicht vielerorts noch „freiwilliges Maskentragen aus Solidarität“ praktiziert wurde. Im August 2022 erschien mein Artikel “Deutschlands Geisterfahrt” über die geplanten Corona-Maßnahmen der Ampelregierung für den Herbst, die ich kritisch beleuchtete. Ebenfalls im August 2022 erschien mein Kommentar „Bildungsferner Journalismus“ zum „maskenlosen Regierungsflug“, an dem neben Politikern wie Robert Habeck auch diverse Regierungsjournalisten teilgenommen hatten. Im Oktober 2022 verfasste ich den Essay „Don't Panic“ - ein Plädoyer dafür, sich trotz der dunklen Zeiten und allen politischen Unbills die Freude an der Schönheit der Welt nicht nehmen zu lassen. Ebenfalls im Oktober 2022 erschien mein Artikel „Die Rache der Linken“, eine Buchbesprechung des „Konspirationischen Manifests“, einer anonym herausgegebenen Streitschrift im renommierten französischen Verlag „Seuil“ , das in Frankreich hohe Wellen geschlagen hatte. Im November 2022 veröffentlichte ich einen Essay mit dem Titel „Im Maschinenraum des Heinz Bude“ - eine kritische Analyse einer Pandemierückschau des deutschen Soziologen Heinz Bude, der in der COVID-19 Task Force des Bundesministerium des Inneren eine maßgebliche Rolle beim sozialpsychologischen “Design” der Corona-Maßnahmen gespielt hatte. Last but not least veröffentlichte ich im Dezember 2022 einen Dokumentarfilm und einen Artikel zum „Sturm auf den Reichstag“, in dem ich eine Beteiligung des Bundesamts für Verfassungsschutz aufgrund der dichten Indizienlage für wahrscheinlich befand und dies auch entsprechend begründete. In diesem Zusammenhang thematisierte ich etwa die jahrzehntelange Geschichte des Bundesamts für Verfassungsschutz, inklusive seiner langen Liste von Beteiligungen an Straftaten und Aktionen unter falscher Flagge, etwa dem Sprengstoffanschlag in Celle („Celler Loch“).
Nun heißt es also fröhlich Rätsel raten: Welcher meiner Artikel oder Filme des Jahres 2022 lieferte den Anlass, der zur Beobachtung meiner Person durch das Bundesamt für Verfassungsschutz führte? Und inwiefern sollte ich damit „den Staat delegitimiert“ haben? Sollte meine Kritik am Bundesamt für Verfassungsschutz selbst zur Verfassungsschutz-Beobachtung meiner Person geführt haben, so wäre dies übrigens illegal. Das gleiche Argument wurde seitens des Verfassungsschutzes im Präzedenzfall der Causa Rolf Gössner vorgebracht - und durch das Verwaltungsgericht Köln gnadenlos abgeschmettert. Der linke Regierungskritiker, Jurist und Menschenrechtsaktivist Rolf Gössner war jahrzehntelang illegal vom Verfassungsschutz beobachtet worden. Der Verfassungsschutz versuchte vor Gericht gegen Gössner als Argument ins Feld zu führen, dieser hätte schließlich den Verfassungsschutz kritisiert, und versuche somit also die rechtmäßige staatliche Ordnung zu beseitigen. Wie der Autor Mathias Brodkorb in seinem brillanten Buch „Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?“ ausführt, musste das Verwaltungsgericht Köln den Verfassungsschützern an dieser Stelle Nachhilfe in Verfassungsrecht erteilen:
“Während der Verfassungsschutz tatsächlich unterstellte, Gössner setze sich für die Abschaffung des Verfassungsschutzes ein, um gezielt auf die “Schwächung der wehrhaften Demokratie” hinzuarbeiten, wies das Verwaltungsgericht Köln diese Sicht als unbelegt zurück und erteilte den Verfassungsschützern Nachhilfe in Verfassungsrecht. Die Forderung nach Abschaffung des Verfassungsschutzes könne schon deshalb nicht verfassungswidrig sein, weil ‘die Existenz der Verfassungsschutzbehörden in ihrer konkreten Form kein Element der freiheitlich demokratischen Grundordnung darstelle. Der Verfassungsschutz soll zwar die Verfassung schützen, zählt aber selbst nicht zu ihren Schutzobjekten. Darüber hinaus sei Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ebenso erlaubt wie die Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu ändern’. Auch in den folgenden Gerichtsinstanzen sollten diese Selbstverständlichkeiten immer wieder eine gerichtliche Bestätigung erfahren.” (Aus Mathias Brodkorb: “Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?” Seite 83/ 84)
Sollte meine kritische Berichterstattung über das Bundesamt für Verfassungsschutz zu meiner eigenen Beobachtung durch das Bundesamt geführt haben, so hätten wir es hier mit einem klaren Rechtsverstoß zu tun, denn der Verfassungsschutz soll die Verfassung zwar schützen, ist aber selbst kein schützenswerter Teil der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Er darf jederzeit kritisiert werden - sogar vehement kritisiert werden, bis hin zur Forderung seiner Abschaffung - da die Meinungsfreiheit im Gegensatz zum Verfassungsschutz ein grundgesetzlich geschützter Teil unserer Verfassung ist.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz begründet die Beobachtung meiner Person ganz klar mit meiner journalistischen Tätigkeit, und nahm die Beobachtungsaktivitäten anlässlich eines journalistischen Artikels und eines Social-Media-Posts von mir aus dem Jahr 2022 auf. Da ich nach einer Rückschau auf meine Texte aus besagtem Jahr beim besten Willen keinen Artikel oder Social Media Post von mir finden kann, der die freiheitlich demokratische Grundordnung auch nur ansatzweise infrage stellt, werde ich nun juristisch gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz vorgehen. Als ersten Schritt strebe ich eine umfangreiche Datenauskunft an: Ich verlange detaillierte Auskunft über sämtliches Material, das über mich bei der Behörde gespeichert ist, inklusive einer Begründung, warum das Material verfassungsrechtlich bedenklich sei. Als nächster Schritt ist eine vollumfängliche Datenlöschung über meine Person in der Behörde zu vollziehen, da es in meinen Augen nicht nachvollziehbar ist, warum regierungskritischer Journalismus plötzlich in den Beobachtungsbereich des Verfassungsschutzes fallen sollte. Wenn der Verfassungsschutz nicht mehr zwischen Kritik an der aktuellen Regierung und einer grundsätzlichen Ablehnung der fdGO unterscheiden kann, so ist dies höchst bedenklich, gehört ins Licht der Öffentlichkeit, und als behördliche Praxis dringend gestoppt.
Die massiv missbräuchlichen Praktiken in der Behörde – eine zunehmende Verfolgung unbescholtener Bürger, weil man sich an wirklich gefährliche Personen gar nicht erst herantraut – sind erst vorletzte Woche durch das Sprengstoff-Interview des Kollegen Philippe Debionne mit einem Verfassungsschutz-Whistleblower an die Öffentlichkeit gelangt - ein Interview, dessen Lektüre ich nur wärmstens ans Herz legen kann. Bedauernswert, aber doch wenig überraschend: Natürlich hat besagtes Interview bereits Konsequenzen für den mutigen Mitarbeiter, der nichts weiter tat, als die internen Missstände seiner Behörde offenzulegen.
Es ist angesichts dieser alarmierenden Zustände aus demokratischer Sicht daher dringend angezeigt, den Druck auf die Behörde und ihre illegalen Praktiken von Bürgerseite aus massiv zu erhöhen. Ich rufe daher alle Bürger dieses Landes, die sich die letzten Jahre in der Öffentlichkeit kritisch gegen die Regierung geäußert haben, dazu auf, massenhaft Anfragen an das Bundesamt für Verfassungsschutz zu stellen, ob auch sie von der Behörde beobachtet werden. Eine Wahrscheinlichkeit dafür ist ganz klar gegeben: Wenn schon unbescholtene Journalisten wie ich, die frei von jedweden Vorstrafen sind, ins Fadenkreuz der Behörde geraten, kann es wirklich jeden Bürger dieses Landes treffen. Ein Verfassungsschutz, der die Pressefreiheit und Meinungsfreiheit der Bürger kriminalisiert, indem er sie in seinen Beobachtungsbereich zieht und dadurch zu illegitimen Aktivitäten erklärt, ist längst selbst zu einer Gefahr für unsere Verfassung geworden und delegitimiert diese in einem inzwischen unerträglichen Maß.
Das volle Ausmaß der bereits jetzt vorhandenen Bürger-Bespitzelung muss JETZT auf den Tisch, bevor das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Befugnisse und personellen Kapazitäten über die nächsten Jahre noch weiter massiv ausbauen kann. Die Praktiken des Verfassungsschutzes gehören in meinen Augen einer grundlegenden parlamentarischen Untersuchung in Form eines Untersuchungsausschusses unterzogen. Zudem – und hier gehe ich mit diversen renommierten Verfassungsrechtlern wie Volker Boehme-Neßler, sowie dem ehemaligen SPD-Minister und Autor Mathias Brodkorb konform – gehört das Bundesamt für Verfassungsschutz vollumfänglich abgeschafft, da eine Reform nicht mehr möglich ist.
Bis es soweit ist, sollten wir vielleicht mal damit anfangen, den Spieß umzudrehen: Es wird allerhöchste Zeit, dass die Bürger damit anfangen, den Verfassungsschutz zu beobachten - und sich massenhaft Auskunft bei der Behörde geben lassen, welche Daten dort über sie erhoben werden.
Zum allgemeinen Formular für eine Selbstauskunft bei Behörden
Formular für Journalisten: https://netzwerkrecherche.github.io/fragdendienst/index.html
Zu weiterführenden Informationen über das Bundesamt für Verfassungsschutz empfehle ich das Buch “Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?” von Mathias Brodkorb, meine Buchbesprechung dazu, sowie meinen Artikel “Der Sturm auf den Reichstag”, in dem ich mich im letzten Teil der grundsätzlichen Frage zur Legitimität des Verfassungsschutzes widme.
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"...gehört das Bundesamt für Verfassungsschutz vollumfänglich abgeschafft, da eine Reform nicht mehr möglich ist. ..." Diese Forderung unterstütze ich vollumfänglich.
Dear Aya, you have nothing to fear. Rather, being observed shows the State understands the significance of your work. It's a back-to-front compliment.